15.5.2003: Forschung international

Der Wert der Artenvielfalt: Reichhaltige Fauna senkt Borreliose-Risiko




Kathleen LoGiudice et al.

Eine sinkende Biodiversität könnte mit einem erhöhten Krankheitsrisiko für Menschen einher gehen, glauben amerikanische Ökologen.


(gk) Regelmässig werden Initianten von Naturschutzprojekten mit der Frage konfrontiert, welchen Wert denn die vielen Tier- und Pflanzenarten für die Welt und speziell für die Menschheit hätten. Versuche, den Vorteil einer hohen biologischen Vielfalt beispielsweise ethisch-moralisch zu begründen, leuchten nicht jedem ein. Die jüngste Entdeckung amerikanischer Wissenschafter könnte allerdings mehr Menschen vom Nutzen der Artenvielfalt überzeugen. Kathleen LoGiudice vom «Institute of Ecosystem Studies» in Millbrook, New York, ist zusammen mit Kollegen der Nachweis gelungen, dass eine sinkende Artenvielfalt in Wäldern mit einem erhöhten Krankheitsrisiko für Menschen einhergeht. Denn je mehr Säugetierarten ein Gebiet beherbergt, so der Befund der Wissenschafter, desto weniger Zecken sind mit der Lyme-Borreliose infiziert.
Viele Zeckenarten ernähren sich auf unterschiedlichen Wirten und sind daher in der Lage, Krankheitserreger auch auf den Menschen zu übertragen. Die Lyme-Borreliose ist die am häufigsten durch Zecken übertragene Erkrankung des Menschen in Europa und Nordamerika. Wird die Infektion nicht erkannt, kann sich eine chronische Verlaufsform unter Beteiligung des Nervensystems, der Gelenke und des Herzens entwickeln, die schwer oder gar nicht heilbar ist. In der Schweiz ist etwa jede vierte Zecke Träger des Erregers von Lyme-Borreliose.
Die Forscher fragten sich, ob es in den Wäldern im Osten der USA Tierarten gibt, in denen sich die Borrelien besonders gut vermehren. Als mit Abstand wichtigstes Reservoir für die Erreger stellte sich die Weissfussmaus heraus. Wären Weissfussmäuse die einzige Wirtsart, würden über 90 Prozent der Zecken die Bakterien in sich tragen. In allen anderen potenziellen Wirtsarten wie Hirsch, Eichhörnchen, Spitzmaus, Stinktier und Vögeln können sich die Erreger dagegen wesentlich weniger gut vermehren. Ihre Anwesenheit in einem Gebiet sorgt dafür, dass der Anteil an Zecken mit Borrelien sinkt. Vor allem zwei Eichhörnchenarten wirken als effektive Verdünner: Die Forscher haben berechnet, dass deren Vorkommen in einem von Weissfussmäusen bewohnten Gebiet die Durchseuchung des Zeckenbestands um fast 60 Prozent reduziert. Mit anderen Worten: Je höher die Artenvielfalt an Säugetieren, desto weniger müssen Waldarbeiter und Wanderer nach einem Zeckenbiss befürchten, an Lyme-Borreliose zu erkranken.
Die Wissenschafter gehen davon aus, dass ähnliche Mechanismen auch für andere Krankeitssysteme gelten. Das wäre bedenklich. Denn immer häufiger führen menschliche Eingriffe in Ökosystemen dazu, dass ein Teil der Artengemeinschaft verschwindet. Tatsächlich haben amerikanische Wissenschafter festgestellt, dass die Dichte an Weissfussmäusen in kleinen Waldfragmenten besonders hoch ist (siehe Conservation Biology 17, 267-272, 2003). Aufgrund ihrer geringen Grösse können diese Fragmente nur einen kleinen Teil der einheimischen Säugetierfauna beherbergen. In Fragmenten, die kleiner als 1,2 Hektaren waren, fanden sie doppelt so viele Zecken als in grösseren Waldflächen. Und während in den kleinen Waldgebieten fast jede Zecke Träger von Borrelien war, wurden die Erreger in den grösseren Waldgebieten nur bei jeder dritten Zecke festgestellt.



Keywords:
Artenvielfalt, Wert, Lyme-Borreliose, Zecken

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
LoGiudice K. et al. (2003): The ecology of infectious disease: Effects of host diversity and community composition on Lyme disease risk. PNAS 100, 567-571.




Kontaktadresse:
Kathleen LoGiudice, Institute of Ecosystem Studies, Box AB, Millbrook, NY 12545
logiudik@union.edu
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