17.2.2014: Forschung international
Dramatische Artenverluste in der Kulturlandschaft Deutschlands
Perte dramatique d’espèces dans les zones rurales allemandes
Stefan Meyer et al.
Die Intensivierung der Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten hat zu einem hohen Verlust der Artenvielfalt in den Kulturlandschaften in Nord- und Mitteldeutschland geführt. Auf rund 1000 Untersuchungsflächen – Ackerland, Grünland und Fliessgewässer – wiederholten Forschende Vegetationsaufnahmen aus den 1950er und 1960er Jahren, um den Wandel zu analysieren.
L’intensification de l’agriculture au cours des dernières décennies a conduit à une grande perte de la biodiversité dans les zones rurales du Nord et du centre de l’Allemagne. Sur près de 1000 surfaces d’expérimentation – terres labourables, surfaces en herbe et cours d’eau – les chercheurs ont renouvelé des relevés de végétation des années 1950 et 1960 afin d’analyser les changements.
Die Forschenden stellten unter anderem fest, dass die Fläche artenreichen Grünlands auf frischen bis feuchten Böden in den vergangenen 50 Jahren um rund 85 Prozent abgenommen hat – heute dominieren artenarme, intensiv gedüngte Wiesen und Weiden. Ackerwildkräuter, die in den 1950er Jahren noch fast auf allen Äckern vorkamen, wachsen heute aufgrund von Düngung und Pestiziden nur noch auf knapp fünf Prozent der Ackerfläche. Die Zahl der Pflanzenarten ging im Grünland um 30 Prozent zurück, im Ackerland im Inneren der Felder um 71 Prozent und in Fliessgewässern um 19 Prozent; die Häufigkeit der einzelnen Pflanzenarten ist in ähnlichem Ausmass rückläufig. Zunahmen registrierten die Forscher lediglich bei sieben anpassungsfähigen Arten im Grünland, bei 18 Arten im Ackerland und bei zwei Arten in Fliessgewässern.
Auch an konkreten Beispielen fehlt es in den Studien nicht: Vor rund 50 Jahren standen Grünland-Pflanzen wie das Wiesen-Schaumkraut und die Kuckucks-Lichtnelke auf fast jeder Wiese. Heute sind nur noch Restbestände von weniger als fünf Prozent im Vergleich zu damals vorhanden, vielerorts sind die Pflanzen ausgestorben. Auch im Ackerland betragen die Bestandsverluste vielfach zwischen 95 und 99 Prozent – ehemals weit verbreitete Arten wie der Acker-Rittersporn, die Knollen-Platterbse und das Sommer-Adonisröschen sind heute floristische Seltenheiten.
Frühere Studien haben vergleichbare Verluste auch für Vögel im Acker- und Grünland gezeigt. Die Entwicklung bei anderen Organismengruppen wie beispielsweise Insekten ist bislang weniger bekannt.
Die Studie zeige, so die Forschenden, dass die bisherigen Massnahmen des Biodiversitätsschutzes in der Agrarlandschaft bei weitem nicht ausreichend waren und in vielen Regionen den Zusammenbruch der Agrar-Lebensgemeinschaften nicht verhindern konnten. Da sich Deutschland im Rahmen der Nationalen Biodiversitätsstrategie zum Erhalt der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft verpflichtet hat, müssen die politischen Entscheidungsträger dringend handeln.
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen
Keywords:
Artensterben, Biodiversitätskrise, Kulturland, Landwirtschaft
Literatur:
Meyer S. et al. (2013). Dramatic impoverishment of arable plant communities since the 1950s/60s a large scale analysis across geological substrate groups. Diversity & Distributions 19, 1175-1187.
http://www.uni-goettingen.de/de/71395.html
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Christoph Leuschner
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Biologie und Psychologie
Abteilung Pflanzenökologie und Ökosystemforschung
Untere Karspüle 2
D-37073 Göttingen
cleusch@gwdg.de
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