17.2.2014: Forschung CH
Neues Modell für die Ausbreitung von Arten
Nouveau modèle pour la propagation des espèces
Andrea Giometto et al.
Die Frage, wie schnell Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen neue Gebiete besiedeln können, beschäftigt nicht nur Ökologen; die Ausbreitung von standortfremden Arten kann auch ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise in der Landwirtschaft. Forschende der Eawag und der EPF Lausanne haben nun ein bestehendes Modell verbessert, das die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Lebewesen berechnen kann.
A quelle vitesse les animaux, plantes ou microorganismes peuvent-ils coloniser de nouveaux milieux? Cette question ne préoccupe pas seulement les écologues; l’expansion d’espèces exotiques peut aussi entraîner des conséquences économiques, par exemple dans l’agriculture. Des chercheurs de l’Eawag et de l’EPF Lausanne ont amélioré un modèle existant qui permet de calculer la vitesse de propagation de tels organismes.
Pflanzen und Tiere erreichen heute im Schlepptau des Menschen innerhalb kurzer Zeit (fast) jeden Ort auf der Welt. Um allfällige Gegenmassnahmen treffen zu können, müssen Geschwindigkeit und Muster der Ausbreitung bekannt sein. Ein 1937 vom Biologen Ronald A. Fisher und vom Mathematiker Andrei N. Kolmogorow entwickeltes mathematisches Modell erlaubt es den Ökologen, Prognosen über die durchschnittliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von Lebewesen zu machen. Für die Modellrechnungen werden lediglich zwei einfach zu ermittelnde Parameter benötigt: Die Diffusionskonstante und die Reproduktionsrate des zu untersuchenden Objekts.
Trotz offensichtlicher Stärken wies das ökologische Modell bisher zwei entscheidende Schwächen auf: Es ist nie unter kontrollierten Bedingungen experimentell getestet worden, und die in der Realität sichtbare Variabilität in der Ausbreitungsgeschwindigkeit konnte nicht reproduziert werden. Forschende der Eawag und EPFL haben dem mathematische Modell nun neue Elemente hinzugefügt und die Voraussagen mit Hilfe von Laborexperimenten überprüft.
Die demographischen Prozesse innerhalb einer Population variieren und sind nicht nur auf Umwelteinflüsse zurückzuführen – unter identischen Bedingungen produziert nicht jedes Individuum gleich viele Nachkommen. Die Forschenden beschrieben dieses Phänomen mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung und ergänzten im mathematischen Modell eine Funktion, welche die zufälligen, individuellen Unterschiede in der Fortpflanzung quantifiziert. Mit diesem erweiterten Modell kann zusätzlich die Variabilität der Ausbreitungsgeschwindigkeit ermittelt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen nun die Modelldaten mit den Ergebnissen von Laborexperimenten. Dazu füllten sie einen zwei Meter langen Plexiglaskanal mit Nährlösung und beschickten ihn auf der einen Seite mit ihrem Studienorganismus, einem einzelligen Wimperntierchen. Die individuellen Bewegungen der Wimperntierchen wurden von Kameras aufgezeichnet und erlaubten die Berechnung der Diffusionskonstanten. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit in die Richtung des unbesiedelten Rohrabschnitts wurde anhand einer kritischen Zellkonzentration in der Flüssigkeit bestimmt. Die Ergebnisse der Laborexperimente zeigten eine sehr grosse Übereinstimmung mit den Resultaten der Modellrechnungen. Die Forschenden hoffen nun, dass sich die Kolonisation und deren Dynamik mit dem ergänzten Modell und dank ihrer Versuche bald auch in der natürlichen Umwelt mit wenigen Messungen rasch und zuverlässig bestimmen lassen.
Keywords:
Invasive Arten, Ausbreitung, Invasionsdynamiken
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Giometto A. et al. (2014). Emerging predictable features of replicated biological invasion fronts. Proceedings of the National Academy of Sciences 111, 297-301.
http://homepages.eawag.ch/~altermfl/Home.html
http://www.pnas.org/content/111/1/297.full
Kontaktadresse:
Florian Altermatt
Eawag, Aquatic Ecology
Überlandstr. 133
CH-8600 Dübendorf
florian.altermatt@eawag.ch
Tel: +41(0)58 765 55 92
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