17.2.2014: Forschung CH

Artenförderung per Transplantation

Conservation des espèces par transplantation



Christoph Scheidegger, Martin Ziegler und Lesly Helbling

Die Eichen-Stabflechte (Bactrospora dryina) wächst an der regengeschützten Stammseite in den Borkenrissen von alten Trauben- und Stieleichen. Die Art ist in ganz Europa gefährdet und wird in der Schweiz als verletzlich eingestuft. Ein Experiment zeigte, dass in Kleinstpopulationen Transplantationen eine aussichtsreiche Möglichkeit für die langfristige Erhaltung der Art darstellen.

Bactrospora dryina est un lichen qui pousse dans les fentes d’écorce de vieux troncs de chênes sessiles ou pédonculés, sur la face protégée de la pluie. L’espèce, menacée dans l’ensemble de l’Europe, est classée comme vulnérable en Suisse. Une expérience a montré que pour de petites populations, les transplantations ont des perspectives prometteuses pour la conservation à long terme de l'espèce.


Flechten gehören in der Schweiz zu den am stärksten gefährdeten Organismen: Beinahe 40 Prozent der baum- und erdbewohnenden Arten gelten als bedroht. Die Eichen-Stabflechte (Bactrospora dryina) ist eine im Artenschutz bisher wenig beachtete Krustenflechte, die an regengeschützten Stammseiten alter Stiel- und Traubeneichen mit tiefrissiger Borke vorkommt. Die Art ist jedoch nirgends häufig und gilt in den meisten Ländern, wo sie noch vorkommt, als stark gefährdet.
Die Schweiz, wo die Art als verletzlich eingestuft ist, verfügt noch über relativ viele Fundorte dieser Art. Mit Ausnahme der ehemaligen Mittelwälder des Thurgauer Seerückens und des Zürcher Unterlandes, wo die Art dank der Förderung von Eichen erhalten werden kann, ist die Eichen-Stabflechte in vielen Fällen aber nur noch auf wenige Bäume beschränkt. Ihr langfristiges Überleben ist deshalb nicht gesichert.
Im Hartholz-Auenwald «Zollischlag» in der Zuger Reussebene ist nun in einem zweijährigen Projekt versucht worden, die Vorkommen der Eichen-Stabflechte zu vermehren. Dazu wurde Flechtenmaterial an einer absterbenden Eiche gesammelt und samt Borkenstücken mit darauf wachsender Flechte an unbesiedelte Bäume geklebt. Diese Ansiedlung von Flechtenfragmenten auf zusätzliche Trägerbäume hat sich bei Blatt- und Strauchflechten bereits als erfolgsversprechende Methode zum Artenschutz erwiesen.
Beobachtungen über zwei Jahre haben nun gezeigt, dass die Mehrheit der Transplantate überlebt hat, allerdings nur an den regengeschützten Stammseiten, wo die Flechte auch natürlicherweise wachsen würde. Folglich kann die Population mit dieser Methode durchaus vergrössert werden. Allerdings gelang es den transplantierten Flechten in den zwei Projektjahren – eine kurze Zeit für ein Flechtenleben – noch nicht, sich am neuen Standort breitzumachen. Erfahrungen bei Blatt- und Stabflechten zeigen, dass man sich dafür gut noch 20 Jahre gedulden muss.
In grösseren Populationen wird in diesem Zeitraum eine Besiedlung durch natürliche Prozesse vermutlich ebenfalls erfolgen, aber in den noch vorhandenen Kleinpopulationen könnten solche Artenförderungsmassnahmen eine aussichtsreiche Möglichkeit für die langfristige Erhaltung der Art darstellen. Im Zuge umfangreicher Flussgebietsrevitalisierungen kann die Eichen-Stabflechte mit dieser Methode hoffentlich auch wieder in Hartholz-Auenwäldern ausgesetzt werden. In Wäldern, in denen die Eichen-Stabflechte noch vertreten ist, ist die Förderung von Eichen weiterhin die wichtigste Massnahme.
Quelle: Pro Natura


Keywords:
Flechten, Artenförderung, Wald

Art der Publikation:
Bericht

Literatur:
Scheidegger Ch., Ziegler M., Helbling L. (2014). Artenförderung per Transplantation. Pro Natura Magazin 1/2014. 2 Seiten.
http://www.pronatura.ch

Kontaktadresse:
Prof. Christoph Scheidegger
Swiss Federal REsearch Institute WSL
Zürcherstrasse 111
8903 Birmensdorf
christoph.scheidegger@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 7392 439


Zurück zur Liste