10.9.2013: Forschung CH

Wie erfolgreiche Pflanzen andere in den Schatten stellen

Comment des plantes performantes font de l'ombre à d'autres



Anne Kempel et al.

Warum sind manche Pflanzenarten selten, andere häufig? Warum werden einige wenige exotische Arten invasiv, andere nicht? Berner Forschende haben nun herausgefunden, welche Arteigenschaften und Umweltbedingungen wichtig sind, damit sich Pflanzen erfolgreich etablieren können.

Pourquoi certaines espèces de plantes sont rares, d’autres fréquentes? Pourquoi quelques plantes exotiques deviennent invasives et d’autres pas? Des chercheurs bernois ont mis en évidence quels critères spécifiques et quelles conditions environnementales sont importants pour que des plantes puissent s’établire avec succès.


Schnell keimen und wachsen, Konkurrenten trotzen, Frassfeinde abwehren – all dies, so vermuteten Ökologen bereits seit langer Zeit, seien wichtige Eigenschaften erfolgreicher Pflanzen. Allerdings galten diese Charakteristika bisher als weniger bedeutend. Als wichtiger wurden andere Erfolgsfaktoren wie die Anzahl Samen und die vorgefundenen Umweltbedingungen (z.B. Dichte der Vegetation) erachtet. In Bern konnten jetzt Forschende des Instituts für Pflanzenwissenschaften und der Universität Konstanz zeigen, dass die erstgenannten Pflanzenmerkmale stärker als bisher angenommen über Erfolg und Misserfolg von Arten entscheiden.
Die hohe Anzahl untersuchter Pflanzenarten und die ausgeklügelte Kombination mehrerer Experimente ist eine Besonderheit dieser Studie. In einem umfangreichen Feldexperiment säten die Ökologen mehr als 90 verschiedene einheimische und exotische Pflanzenarten in 16 verschiedene Wiesen im Kanton Bern. Dabei variierten sie die eingesäte Samenmenge und manipulierten die Störung und die Dichte der vorhandenen Vegetation. Sie dokumentierten, welche der gesäten Pflanzenarten sich schliesslich im Feld etablieren konnten. Parallel dazu führten die Forschenden mehrere Gewächshausexperimente durch, um die Eigenschaften jeder Art möglichst genau zu charakterisieren – von der Samengrösse, der Keimungsrate, der Wachstumsgeschwindigkeit und der Konkurrenzstärke bis zur Abwehr gegenüber Frassfeinden (z.B. Schmetterlingsraupen). Kombiniert man nun die Ergebnisse aus Feld- und Gewächshaus, lassen sich die für den Erfolg wichtigsten Eigenschaften und Umweltbedingungen bestimmen.
Die Pflanzenwissenschaftler konnten zeigen, dass sich am Anfang der Studie vor allem Arten mit einem besonders grossen Samengewicht in den Wiesen etablierten und entsprechend erfolgreich auskeimten. Auch eine grössere Samenzahl verbesserte ihre Situation. Allerdings veränderte sich die Wichtigkeit der Faktoren im Verlauf der Studie: Gegen Ende waren interessanterweise vor allem Eigenschaften von Bedeutung, welche die Wechselbeziehung von Pflanzen mit anderen Pflanzen oder Tieren charakterisieren. So waren Pflanzenarten, welche besonders gut gegen gefrässige Insekten geschützt sind, langfristig am erfolgreichsten.
Die Ergebnisse decken sich mit den Theorien aus der Invasions- und Pflanzengemeinschaftsbiologie. Zunächst verhindert die unbelebte Umwelt, der sogenannte «abiotische Filter», die frühe Etablierung von Arten, denen gewisse physiologische Anpassungen fehlen. Einmal gekeimte Arten müssten dann den sogenannten «biotischen Filter» passieren – das heisst sie müssen Frassfeinden, Pathogenen und Konkurrenten trotzen, um sich in einer Pflanzengemeinschaft zu behaupten.
Die veröffentlichte Studie ermöglicht es, die Entstehung der Artenzusammensetzung von Pflanzengemeinschaften besser zu verstehen. Die Ergebnisse können laut den Forschenden auch dazu beitragen, potenzielle neue invasive Arten frühzeitig zu erkennen – etwa indem als Gartenpflanzen vorgesehene Arten vor der Zulassung zum Verkauf zunächst auf ihre Eigenschaften untersucht werden.

Keywords:
Lebensgemeinschaft, funktionale Merkmale, biotischer Filter, invasive Arten

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Kempel A. et al. (2013). Determinants of plant establishment success in a multispecies introduction experiment with native and alien species. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 110:12727-12732.
http://www.pnas.org/content/110/31/12727.full

Kontaktadresse:
Anne Kempel
Institute of Plant Sciences
Altenbergrain 21
Ch-3013 Bern

kempel@ips.unibe.ch
Tel: +41 (0)31 631 49 28


Zurück zur Liste