20.8.2012: Forschung international

Deutsche Windräder: Todesfalle für Fledermäuse aus Nordosteuropa

Les éoliennes allemandes sont des pièges mortels pour les chauve-souris du Nord-Est de l’Europe



Voigt C.C. et al.

Windkraftanlagen können Auswirkungen auf weit entfernte Ökosysteme haben. Forscher wiesen jetzt nach, dass Fledermäuse, die an Windrädern in Deutschland zu Tode kommen, vor allem aus dem osteuropäischen Raum stammen.

Les éoliennes peuvent influencer des écosystèmes lointains. Des chercheurs ont démontré que les chauve-souris victimes des éoliennes en Allemagne sont avant tout originaires d’Europe de l’Est.


Die Forscher untersuchten vier Fledermausarten, die regelmässig an Windkraftanlagen in Deutschland verunglücken. Sie führten ihre Untersuchung an Standorten in vier Bundesländern durch. Fledermäuse sind von besonderem Interesse, weil sie eine wichtige regulierende Funktion für Ökosysteme haben und Populationen von Schadinsekten in Schach halten. Ausserdem ziehen viele Arten im Frühjahr und Herbst zwischen Fortpflanzungs- und Überwinterungsgebieten durch ganz Europa.
Die Forscher analysierten das Verhältnis der Wasserstoffisotope im Fellkeratin der Tiere. Vom Wasserstoff gibt es zwei stabile Varianten (Isotopen), die zwar annähernd dieselben chemischen Eigenschaften haben, sich aber im Atomgewicht unterscheiden. Die Verteilung der Wasserstoffisotope ist in Europa regional unterschiedlich, der Anteil des „leichten“ Wasserstoffisotops steigt von Süd nach Nord stetig an. Da Säugetiere die lokalen Wasserstoffisotope in ihr Keratin einbauen, hat jedes Tier eine Art Isotopen-Fingerabdruck in seinem Fell. Deshalb können Forscher über das Verhältnis der Isotope im Fell die Region ermitteln, in der sich die Tiere die letzten Monate aufgehalten haben.
Dabei fanden sie heraus, dass zum Beispiel die in Deutschland verunglückten Rauhautfledermäuse fast ausschliesslich aus dem Baltikum und Weißrussland kamen. Auch Exemplare des Großen und des Kleinen Abendsegler mussten ihre Reisefreudigkeit mit dem Leben bezahlen, sie kamen ebenfalls aus dem Norden und Osten, also aus Skandinavien oder dem Baltikum. Hingegen stammten die gefundenen Zwergfledermäuse aus den Regionen rund um die Anlagen.
Studien besagen, dass jährlich mehr als 200.000 Fledermäuse an deutschen Windkraftanlagen verunglücken. Wildtierbiologen warnen, dass diese Verluste empfindliche Lücken in die fernen Populationen reissen.
Seit kurzem wissen Forscher, wie Fledermäuse an den Anlagen zu Tode kommen: Die Tiere werden nicht wie allgemein angenommen durch die Rotorblätter „zerhäckselt“. Sie sterben vielmehr an einem sogenannten Barrotrauma. Dabei platzen ihre Lungen und inneren Organen, weil durch Verwirbelungen hinter den Rotorblättern starke Druckschwankungen entstehen.
Das Problem der Fledermausunfälle ließe sich eigentlich einfach lösen, so Voigt. Die Anlagen müssten in der Abenddämmerung, wenn der Wind sowieso meist abflaut, für ein bis zwei Stunden ausgeschaltet werden; vornehmlich während der Zugzeit der Fledermäuse. Dies würde die Zahl der Todesfälle vermutlich drastisch senken und nur geringe Gewinneinbussen bei den Betreibern zur Folge haben. Die Forschenden sind überzeugt: Wir benötigen eine intelligente Energiewende, mit möglichst wenig Schaden für Mensch und Wildtier.

Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.


Keywords:
Windkraft, Fledermäuse, Klimawandel, Energiewende, erneuerbare Energie

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Voigt C.C., Popa-Lisseanu A., Niermann I., Kramer-Schadt S. (2012). The catchment area of wind farms for European bats: A plea for international regulations. Biological Conservation 10.1016/j.biocon.2012.04.027

Kontaktadresse:
Dr. Christian Voigt
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) 
im Forschungsverbund Berlin e.V

Postfach 601103
D-
10252 Berlin

voigt@izw-berlin.de
Tel: +49 (0)30 51 26 517


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