18.6.2012: Forschung international
Hungerbekämpfung und Schutz der Artenvielfalt passen zusammen
La lutte contre la faim et la protection de la biodiversité sont compatibles
Teja Tscharntke et al.
Agrarökologen erklären in einer Studie, wieso eine Steigerung der Nahrungsmittelproduktion und eine Intensivierung der Landwirtschaft in Europa nicht zu einer Verringerung des Hungers in der Welt beitragen.
Des agroécologues expliquent dans une étude pourquoi une augmentation de la production alimentaire et une intensification de l’agriculture en Europe ne contribue pas à une diminution de la faim dans le monde.
Laut der Welternährungsorganisation FAO hungern weltweit fast eine Milliarde Menschen, ausserdem soll die Bevölkerungszahl in den kommenden Jahrzehnten von derzeit sieben auf neun Milliarden Menschen steigen. Nach Ansicht der Wissenschaftler ist eine Produktionssteigerung nicht die im Vordergrund stehende Lösung für das Hungerproblem, da schon die jetzige Produktion für die weltweite Ernährungssicherung ausreichen würde, wenn sie auch den Hungernden zur Verfügung stehen würde.
Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass das Rückgrat der weltweiten Hungerbekämpfung die Nahrungsmittelproduktion der Kleinbauern vor Ort ist. Die derzeitige Nutzung der Nahrung ist zudem wenig effektiv: Ein Drittel verdirbt und ein weiteres Drittel wird für die Tierproduktion verwendet, bei der für eine Kalorie Fleisch im Mittel sieben Kalorien Futtermittel benötigt werden. Weiterhin ist eine konventionelle Intensivierung der Landwirtschaft mit erheblichen Umweltschäden verbunden. Weltweit zeichnet die Landwirtschaft für ein Drittel der klimaschädlichen Gase verantwortlich sowie für Stickstoffverluste, die allein in der Europäischen Union (EU) jährlich Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe verursachen. Ausserdem hängt eine nachhaltige Produktion auch von der Biodiversität auf dem Acker ab, da diese einen ökonomisch wichtigen Beitrag leistet, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, die Bestäubung von Nutzpflanzen zu sichern und Schädlinge in Schach zu halten. Die EU hat dazu eine Strategie beschlossen, wie das Artensterben reduziert werden kann.
Die Bekämpfung des weltweiten Hungers bei gleichzeitigem Schutz der Artenvielfalt sei somit eine komplexe Herausforderung, so die Wissenschaftler. Der aktuell viel diskutierte Vorschlag, Naturschutz auf Reservate zu beschränken, um grossräumig die Produktion intensivieren zu können, sei nicht überzeugend. Vielmehr bedarf es gemeinsamer Anstrengungen in Wissenschaft und Politik, die auf die Hungerbekämpfung vor Ort direkt ausgerichtet sind und soziale, ökonomische und ökologische Ideen zusammenführen.
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen
Keywords:
Landwirtschaft, Hunger, Artenschutz, Ökosystemleistungen
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Tscharntke T. et al. (2012): Global food security, biodiversity conservation and the future of agricultural intensification. Biological Conservation (DOI: 10.1016/j.biocon.2012.01.068)
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Teja Tscharntke
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Nutzpflanzenwissenschaften
Abteilung Agrarökologie
Grisebachstraße 6
D-37077 Göttingen
ttschar@gwdg.de
Tel: +49 (0)551 39-9205
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