19.3.2012: Forschung CH

Biodiversität in Sturmflächen

La biodiversité des surfaces de chablis



Michael Eisenring, Andreas Gigon, Ladislaus Reser

In zwei «unaufgeräumten» Flächen des Sturms Lothar und zwei standörtlich entsprechenden, unbeeinträchtigten Waldflächen wurden die Vegetation und die Nachtfalter erfasst. Im Wald wurden insgesamt 33 Pflanzen- und 125 Nachtfalterarten festgestellt, in den Sturmflächen 92 Pflanzen- und 84 Nachtfalterarten. Pflanzen- und Nachtfalterdiversität sind demnach nicht positiv korreliert.

La végétation et les papillons nocturnes de deux surfaces «désordonnées» par l’ouragan Lothar et de deux surfaces témoins épargnées ont été répertoriés. En tout, les surfaces de forêt ont livré 33 espèces de plantes et 125 de papillons de nuit, les surfaces de chablis 92 espèces de plantes et 84 de papillons nocturnes. La diversité des plantes et des papillons nocturnes ne semble donc pas être positivement corrélée.


Im Frühling und Sommer 2011 wurden bei Brugg (AG) die lokale Pflanzendiversität (Vegetationsaufnahmen à 400 m2) und die Nachtfalterdiversität (total 8 Lichtfallen in 8 Nächten zwischen 5.5. und 27.7.) in zwei «unaufgeräumten» Flächen des Sturms Lothar vom 26. Dezember 1999 und in zwei standörtlich entsprechenden unbeeinträchtigten Waldflächen erfasst. Zwei Hypothesen wurden geprüft: 1. Die Pflanzendiversität ist in den Sturmflächen grösser als im Wald. 2. Die Nachtfalterdiversität ist mit der Pflanzendiversität positiv korreliert, da Pflanzen die Hauptnahrung für Nachtfalterraupen sind.
In den Waldflächen kamen insgesamt 33 Pflanzenarten vor, in den Sturmflächen 92. Dies kann mit dem grösseren Angebot an offenen Mikrohabitaten (kahle Bodenoberfläche) und einer Vielzahl an verschiedenen Mikroklimaten in den Sturmflächen im Vergleich zu den Waldflächen erklärt werden.
Bei den Nachtfaltern wurden 1534 Individuen gefangen. Entgegen unserer Hypothese war die Nachtfalterdiversität in den Waldflächen mit insgesamt 125 Arten grösser als in den Sturmflächen (84 Arten). Also sind Nachtfalterdiversität und Pflanzendiversität nicht positiv korreliert. Mögliche Erklärungen für diesen Befund sind: (i) Windverbreitete Pflanzenarten (29 Arten in der Sturmfläche, 9 im Wald) gelangten wohl relativ leicht in die Sturmfläche, was bei Makrolepidopteren schwieriger sein dürfte, da die Sturmflächen von dichtem Wald umgeben sind. (ii) Vor allem für sich vegetativ ausbreitende, bzw. langlebige Pflanzenarten genügt für die Bildung eines Vorkommens ein einzelner Same, wogegen für Lepidopteren jeweils mehrere sich fortpflanzende Individuen nötig sind, was viele Jahre erfordern dürfte. (iii) Viele Pflanzenarten in den Sturmflächen wurden von Adlerfarn und Brombeeren überwuchert oder kommen seit der Kolonisierung in so geringer Dichte vor, dass sie nicht genügend Nahrung für Populationen oligophager Nachtfalter sind. (iv) Generell dürften in den untersuchten Waldgebieten wie anderswo wegen der Bewirtschaftung als dunkle Hochwälder (aufgrund des Eidg. Waldgesetzes von 1876) relativ wenige Offenland-Nachtfalterarten vorkommen. (v) In den Waldflächen hat es ein konstanteres Mikroklima und Angebot an Futterpflanzen, was für viele Insekten vorteilhaft ist. Die aufgeführten Erklärungen konnten durch Beobachtungen im Feld sowie durch Literaturangaben bestätigt werden. Für eine grosse Nachtfalterdiversität sollten lichte Wälder gefördert und offene Habitate miteinander vernetzt werden.


Keywords:
Sturmschäden, Sturmvegetation, Pflanzenvielfalt, Nachtfaltervielfalt

Art der Publikation:
Bericht

Literatur:
Eisenring M., Gigon A., Reser L. (2011): The diversity of nocturnal Macrolepidoptera and plants in two Fagus forests differently affected by the 1999 storm Lothar in northern Switzerland. Erweiterte Semesterarbeit an der ETH Zürich, 52 S.

Kontaktadresse:
Andreas Gigon.
Institut für Integrative Biologie ETH
Universitätsstrasse 16
CH-8092 Zürich

andreas.gigon@env.ethz.ch
Tel: +41 (0)44 632 44 94


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