20.10.2011: Forschung CH

Was schwimmt denn da – Schweizer Fischbestände werden wissenschaftlich erfasst

Qui baigne dans ces eaux? Les populations de poissons seront répertoriées en Suisse



Ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Wasserforschungsinstituts Eawag und des Naturhistorischen Museums Bern geht den Alpen- und Alpenrand-Seen im wahrsten Sinne auf den Grund. Systematisch werden im «Projet Lac» die Fischbestände wissenschaftlich erfasst. Bereits die ersten Untersuchungen im Murtensee haben Resultate zu Tage gefördert, die aus den bisher verwendeten Statistiken der Fischer nicht abgelesen werden konnten.

Une équipe internationale de chercheurs sous la direction de l'institut de recherche sur l'eau Eawag et du Musée d’histoire naturelle de Berne se plonge dans les lacs alpins et circum-alpin dans le vrai sens du terme. Le «Projet Lac» va répertorier de façon systématique les populations de poissons. Les premières investigations dans le lac de Morat ont déjà ont mis en lumière des résultats qu’il était impossible de tirer des statistiques de pêche utilisées jusqu’à ce jour.


Gemäss Fischereigesetz muss die Verbreitung der Fischarten in der Schweiz genau bekannt und dokumentiert sein. Auch die Wasserrahmenrichtlinie der EU kennt eine ähnliche Vorgabe. Die Experten müssten Statistiken führen, die zeigen, welche Arten besonders bedroht sind und daher Schutz benötigen. Doch tatsächlich ist über die Arten in den grösseren Seen Europas wenig bekannt. In den meisten Fällen sind Fischereistatistiken die einzigen verfügbaren Daten.
Gestartet wurde das «Projet Lac» schon 2010, im Internationalen Jahr der Biodiversität. Systematisch werden die grösseren Seen befischt, die gefundenen Arten bestimmt, vermessen und fotografiert sowie die Fangzahlen statistisch ausgewertet. So kann erstmals ermittelt werden, wie hoch die Fischbiodiversität in den Seen heute wirklich noch ist. Ausserdem wollen die Forschenden mit dem Projekt herausfinden, wieso die Artenvielfalt und Artenzusammensetzung von See zu See teils sehr stark variiert und welche ökologischen Gründe zum Auftauchen oder Verschwinden von Arten führen.
Bisher wurden die drei Seen von Murten sowie Annecy und Bourget (beide F) befischt. Über 8000 Fische und 29 Arten wurden dabei inventarisiert. Die Resultate aus dem Murtensee zeigen, dass über ein Drittel der von J. Gugelhard 1840 beschriebenen Fischarten verschwunden sind. Die strukturierten und somit für Fische wichtigen Lebensräume im See haben um 30% abgenommen. Auch sind fast 30% der Seeufer heute künstlich und verbaut. Schliesslich fehlt ab 20 m Seetiefe der Sauerstoff, der denjenigen Fischarten ein Überleben ermöglichen würde, welche tieferes Wasser benötigen.
Gleichzeitig wurden bisher im Murtensee unbekannte Arten gefunden: Rotfedern, die morphologisch als italienische Rotfederart bezeichnet werden müssen (Scardinius hesperidicus), Steinbeisser, die morphologisch der italienischen Art (Cobitis bilineata) entsprechen. Zudem wurde ein erster Giebel (Carassius gibelio) gefangen. Diese ersten standardisierten Aufnahmen der Fischfauna zeigen, dass die Berufs- und Hobbyfischerei sich auf die Artenzusammensetzung im See selektiv auswirkt. So fangen die Fischer gemessen an deren Vorkommen im See überproportional viel Zander, Hechte und Welse. Andere Arten, wie Karpfenartige (Cypriniden) und Kleinfischarten werden kaum gefangen. Dies hat einen markanten Einfluss auf die Altersstrukturen der Populationen im See. So sind beim stark befischten Zander viele junge und vergleichsweise wenig erwachsene Tiere vorhanden. Die standardisierte Erhebung der Fischfauna ergibt also ein anderes Bild als die kantonal erhobenen Fangzahlen aus der Fischerei.

Quelle: Eawag


Keywords:
Fische, Schweizer Seen, Bestandserhebungen, Gewässerzustand



Kontaktadresse:
Prof. Dr. Ole Seehausen
Fish Ecology and Evolution
Eawag
Seestrasse 79
CH-6047 Kastanienbaum

ole.seehausen@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 2121


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