20.10.2011: Forschung international

Der Einfluss extremer Klimaereignisse auf die Artenvielfalt

L’impact des événements climatiques extrêmes sur la biodiversité



Jürgen Kreyling, Anke Jentsch, Carl Beierkuhnlein

Normalerweise verändert sich die Vegetation kontinuierlich und regelhaft: Einige Pflanzenarten breiten sich aus, andere sind auf dem Rückzug. Ein Team aus Forschenden hat nun zeigen können, dass extreme Hitze- und Trockenperioden die Artenvielfalt und Artenzusammensetzung so nachhaltig erschüttern können, dass deren Entwicklung in den Folgejahren zufällig und unberechenbar wird. Bei der Entwicklung langfristig angelegter Konzepte – etwa in der Forstwirtschaft, der Landschaftsgestaltung oder der Wasserwirtschaft – ist daher mit zunehmender Planungsunsicherheit zu rechnen.

En temps normal, la végétation se modifie de façon continue et selon certaines règles. Des espèces progressent, d’autres sont sur le déclin. Un groupe de chercheurs a pu mettre en évidence que des périodes caniculaires et d’extrême sécheresse peuvent affecter durablement l’assemblage et la diversité des espèces de plantes, à tel point que leur évolution les années suivantes devient aléatoire et imprévisible. Lors de l'élaboration de concepts de longue durée, comme en sylviculture, en architecture du paysage ou en gestion des eaux, il faut compter avec une augmentation de l'incertitude dans la planification.


Wie sich Wiesenvegetation über Jahre hinweg verändert, haben Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein und seine Arbeitsgruppe seit 1999 intensiv beobachtet. Auf einem Forschungsgelände der Universität Bayreuth wurden zwei räumlich benachbarte Untersuchungsflächen eingerichtet, die jeweils in 30 gleich grosse Felder eingeteilt wurden. Jedes Feld erhielt eine spezifische Bepflanzung, die sich aus mehreren Grünlandarten zusammensetzte. Damit waren auf jeder der beiden Flächen, in klarer räumlicher Abgrenzung, 30 verschiedene Pflanzenmischungen angesiedelt. Die beiden Untersuchungsflächen stimmten hinsichtlich ihrer Bepflanzung durchgehend überein. So konnten die Forschungen im Jahr 1999 mit 30 verschiedenen Paaren von Zwillingsfeldern beginnen, die hinsichtlich ihrer Artenvielfalt und Artenzusammensetzung identisch waren.
In den folgenden Jahren, bis 2008, haben die Wissenschaftler aus allen Feldern der beiden Untersuchungsflächen regelmässig Biomasseproben entnommen und ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass die Zwillingsfelder in den ersten Jahren nach 1999 nur unwesentliche Unterschiede hinsichtlich ihrer Vegetation aufwiesen. Die Entwicklung der anfangs identischen Pflanzenmischungen verlief weitgehend parallel, wobei die Artenvielfalt insgesamt leicht zunahm.
Das änderte sich jedoch schlagartig im Sommer 2003 mit seiner extremen Hitze- und Trockenperiode. Durch die lang anhaltende Dürre wurde die Vegetation auf beiden Untersuchungsflächen schwer geschädigt. Noch innerhalb desselben Jahres drifteten die Artenzusammensetzungen auf den 30 Zwillingsfeldern völlig auseinander. Dabei liessen sich keine Regelmässigkeiten mehr erkennen. Im Gegenteil: Es schien weitgehend zufällig, wie sich die Vielfalt und die Zusammensetzung der Arten nach dem Dürreschock veränderte. Bis 2008 wurde die Ähnlichkeit, die in den Jahren nach 1999 zunächst bestanden hatte, nicht wieder erreicht.
Die Forschungsergebnisse haben nicht zu unterschätzende Konsequenzen für verschiedene Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft. Denn infolge des globalen Klimawandels sind extreme Klimaereignisse in Zukunft häufiger zu erwarten. Damit aber steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Entwicklungen der Artenvielfalt und der Artenzusammensetzung zufällig verlaufen und sich wissenschaftlichen Prognosen entziehen. Infolgedessen scheinen auch die Serviceleistungen von Ökosystemen, die oftmals auf einem stabilen Mischungsverhältnis verschiedener Pflanzenarten beruhen, in Zukunft weniger verlässlich zu sein. Bei der Entwicklung langfristig angelegter Konzepte – etwa in der Forstwirtschaft, der Landschaftsgestaltung oder der Wasserwirtschaft – ist daher mit zunehmender Planungsunsicherheit zu rechnen.

Quelle: Universität Bayreuth


Keywords:
Trockenperioden, Klimawandel, Ökosystemleistungen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Kreyling J., Jentsch A., Beierkuhnlein C. (2011). Stochastic trajectories of succession initiated by extreme climatic events. Ecology Letters (2011) 14, 758–764. DOI-Bookmark: 10.1111/j.1461-0248.2011.01637.x

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Carl Beierkuhnlein
Lehrstuhl für Biogeografie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth

carl.beierkuhnlein@uni-bayreuth.de
Tel: +49 (0)921 55-2287


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