19.10.2011: Forschung international

Nanomaterialien können aquatische Ökosysteme gefährden

Les nanomatériaux peuvent porter atteinte aux écosystèmes aquatiques



Carolin Völker

Die Zukunftserwartungen an die Nanotechnologie sind hoch. Im Rahmen eines von der OECD geförderten Projekts zeigte die Forschergruppe «Aquatische Ökotoxikologie» der Universität Frankfurt welche bedenkliche Auswirkungen Nanopartikel aus Silber und Titandioxid auf wirbellose Tiere in aquatischen Ökosystemen haben.

Les perspectives d’avenir pour les nanotechnologies sont prometteuses. Le groupe scientifique «écotoxicologie aquatique» de l’Université de Francfort a mis en évidence, dans le cadre d’un projet soutenu par l’OCDE, les conséquences dramatiques des nanoparticules d’argent et d’oxide de titane sur les invertébrés des écosystèmes aquatiques.


Mit steigenden Produktionsmengen gelangen nanoskalige Substanzen zunehmend in Oberflächengewässer: nanoskaliges Titandioxid aus Fassadenfarbe wird mit dem Regen in die Gewässer geschwemmt; Nanosilber aus Sportbekleidung löst sich beim Waschen aus den Textilien, ebenso gelangen Nanomaterialien aus Kosmetika und anderen Körperpflegeprodukten in die Umwelt. Hilfreich für die Einschätzung des Umweltrisikos von Nanomaterialien ist die Untersuchung wirbelloser Tiere. Sie bilden einen wichtigen Teil der Biodiversität von aquatischen Ökosystemen. So genannte Schlüsselarten geben Auskunft über die Struktur und Funktion dieser Systeme. Ein Beispiel sind Daphnien (Wasserflöhe), die zahlreichen Fischarten als Beute dienen.
Die Forschenden konnten zeigen, dass einige nanopartikuläre Substanzen bereits in sehr niedrigen Konzentrationen auf Wasserflöhe toxisch wirken. Die Tiere wurden den Substanzen über einen Zeitraum von 48 Stunden ausgesetzt; die Chemikalien wurden dabei in verschiedenen Konzentrationen dargeboten. Das Ergebnis: Nanoskaliges Titandioxid reicherte sich im Darm an, und auch der für die Nahrungsaufnahme essenzielle Filterapparat der Versuchstiere verklebte. Die Wirkung von Silbernanopartikeln war noch drastischer: Sie führte schon nach 24 Stunden zum Tod.
Ein weiterer Schlüsselorganismus, die Neuseeländische Zwergdeckelschnecke, produziert erheblich weniger Nachkommen, wenn sie vier Wochen lang nanoskaligem Titandioxid oder Silber ausgesetzt ist. Bei Wasserflöhen führte eine dreiwöchige Behandlung mit nanoskaligem Titandioxid zu einem verminderten Wachstum und die Anzahl an Nachkommen fiel ebenfalls geringer aus.
Um herauszufinden, ob nanopartikuläre Substanzen über die Nahrungskette weitergegeben werden, fütterten die Forscher ihre Versuchstiere mit Algen, die zuvor mit Titandioxidpartikeln behandelt worden waren. Im Elektronenmikroskop konnten sie sehen, dass die Partikel an den Algen haften blieben. Nach der Verfütterung reicherten sich Titandioxidpartikel im Darm der Daphnien an. Die Aufnahme über die Nahrung führte bei den Daphnien zu einer höheren Sterblichkeit, als wenn die Partikel über das Wasser verabreicht wurden.
Und wie ergeht es dem Nachwuchs der durch Nanopartikel beeinträchtigten Organismen? Um das herauszufinden, wurden die im Versuch geborenen Jungtiere erneut auf ihre Fortpflanzungsleistung hin untersucht. Hier zeigte sich, dass nachkommende Generationen erheblich sensibler auf die Behandlung mit Silbernanopartikeln reagierten. Das verdeutlicht, dass chronische Folgen nanopartikulärer Substanzen nicht in Kurzzeittests erfasst werden können. Für eine adäquate Risikobewertung von Nanomaterialien müssen daher unbedingt Versuche mit einem verlängerten Expositionszeitraum durchgeführt werden.

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main


Keywords:
Nanotechnologie, nanoskaliges Titandioxid, Silbernanopartikel, Daphnien, Gewässer

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Völker C. (2011). Giftige Zwerge in der Umwelt? Über Wirkungen von Nanomaterialien in aquatischen Ökosystemen. Forschung Frankfurt 1/2011, 50-52.

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Kontaktadresse:
Carolin Völker
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität
Bio-Campus
Siesmayerstraße
D-60438 Frankfurt am Main

c.voelker@bio.uni-frankfurt.de
Tel: +49 (0)69 798 24738


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