30.8.2011: Forschung international

Klettern beeinflusst die Vegetation

L’escalade exerce une influence sur la végétation



Frank Vogler und Christoph Reisch

Kletterer gelten als naturverbunden. Unproblematisch ist die Ausübung ihrer Sportart jedoch nicht. Wissenschaftler der Universität Regensburg konnten zeigen, dass das Klettern auch negative Folgen für die Verbreitung und die genetische Struktur von seltenen Pflanzen in Bergregionen haben kann.

Les grimpeurs passent pour être attachés à la nature. Cependant, l’exercice de leur sport ne va pas sans problème. Des scientifiques de l’université de Regensburg ont montré que l’escalade peut avoir des conséquences négatives sur la répartition et la structure génétique de plantes rares dans les régions de montagne.


Weltweit nimmt die Begeisterung für das Klettern beständig zu. Dadurch steigt aber auch der Druck auf die Vegetation gerade in solchen Gebieten, die sich bei Kletterern grosser Beliebtheit erfreuen. Dies gilt ebenfalls für den nördlichen Franken-Jura und die Schwäbische Alb, die beide zu den bedeutendsten Kletter-Regionen Deutschlands zählen. Beide Gebirge gehören zu den Hauptverbreitungsgebieten des seltenen gelben Hungerblümchens (Draba aizoides), das auch als «Immergrünes Felsenblümchen» bekannt ist und auf Kalksteinfelsen wächst. Um herauszufinden, ob das Klettern einen Einfluss auf die Verbreitung und die genetische Struktur der seltenen Pflanze hat, verglichen Wissenschaftler die Pflanzenpopulationen auf insgesamt 16 Felsen, von denen acht beklettert werden, während die anderen acht bislang davon unberührt geblieben sind.
Die Forscher fanden heraus, dass sich die Pflanzenpopulationen auf den beiden Felstypen deutlich voneinander unterscheiden. So sind die Pflanzen auf den Kletterfelsen kleiner und weniger zahlreich als ihre Artgenossen auf den nicht bekletterten Felsen. Darüber hinaus konnten die Regensburger Forscher auch Auswirkungen des Kletterns auf die genetische Struktur der Populationen feststellen, denn die genetischen Unterschiede zwischen der oberen und der unteren Hälfte der Populationen waren auf den bekletterten Felsen signifikant niedriger – eine Veränderung, die auf die Ausbreitung von Samen und Pflanzenteilen durch Klettern zurückzuführen ist.
Die mechanischen Belastungen durch das Klettern führen zu Veränderungen der Populationsstruktur. Zwar fördern Bergsteiger durch ihre Auf- und Abstiege die Verteilung der Pflanzensamen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass die von den Forschern beobachteten genetischen Veränderungen langfristig die Fähigkeit der Pflanzen, in ihrer ursprünglichen Umgebung zu überleben, beeinträchtigen könnten.
Aufgrund ihrer relativen Unzugänglichkeit gehören die Felsmassive vor allem der Mittelgebirge zu den wenigen Ökosystemen, die in den letzten Jahrhunderten nur bedingt durch den Menschen in ihrer Entwicklung gestört wurden. Sie beheimaten zumeist eine grosse Bandbreite seltener und gefährdeter Pflanzenarten. In Gebieten, die bei Kletterern besonders beliebt sind, ist es deshalb dringend erforderlich, unberührte Felsen zu erhalten, auf denen sich die einzelnen Pflanzenarten ohne äussere Einflüsse entwickeln können, fordern die Forscher.

Quelle: Universität Regensburg


Keywords:
Klettern, Draba aizoides, Gefähdungsursache

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Vogler F., Reisch C. (2011). Genetic variation on the rocks? The impact of climbing on the population ecology of a typical cliff plant. doi: 10.1111/j.1365-2664.2011.01992.x. Journal of Applied Ecology, 4. Mai 2011.
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1365-2664.2011.01992.x/full

Kontaktadresse:
Christoph Reisch
Universität Regensburg
Lehrstuhl für Botanik
D-93040 Regensburg

Christoph.Reisch@biologie.uni-regensburg.de
Tel: +49 (0)941 943 3131


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