22.11.2003: Forschung CH

Restaurierung eines Voralpensees




Hans-Rudolf Bürgi, Pius Stadelmann

Zwischen 1960 und 2000 erlebte der Vierwaldstättersee eine Phase der Eutrophierung und anschliessend eine Rückkehr zu nährstoffarmen Verhältnissen, die dem natürlichen Zustand des Sees entsprechen. Dies hatte auch Auswirkungen auf die Biodiversität.


Zwischen 1960 und 2000 erlebte der Vierwaldstättersee eine Phase der Eutrophierung (bis ca. 1980) und anschliessend eine Rückkehr zu oligotrophen (=nährstoffarmen) Verhältnissen, die dem natürlichen Zustand des Sees entsprechen. Die Planktonbiozönose (Artenvielfalt, Diversitätsindex) und Ausgewogenheit der Besiedelung veränderten sich gegengleich zur Nährstoff- Anreicherung: Unter eutrophen (gut gedüngten) Verhältnissen wurden weniger Arten und in weniger ausgeglichenen Relationen gefunden. Der Ausgewogenheitsindex war oft kleiner 0,2, was einer Dominanz einer oder weniger Arten entspricht. Seit der Restaurierung des Sees als nährstoffarmes Gewässer, sind solche Situationen sehr selten.

Diskussion
Die produktionsorientierte Landwirtschaft kommt um eine intensive Düngung nicht herum. Als Reaktion auf übermässige Düngung veränderten sich die terrestrischen Lebensgemein-schaften im letzten Jahrhundert drastisch: naturgemäß magere, blumenreiche Wiesen wie sie früher auch im Mittelland sehr verbreitet waren, wandelten sich in eintönige Fettwiesen um. Analog dazu wiesen auch stark gedüngte Seen eine Verarmung der Planktonarten und eine Entwicklung zu einseitig zusammengesetzten Lebensgemeinschaften auf. Mit der Bekämpfung der Düngerbelastung lässt sich diese Entwicklung umkehren, allerdings dauert es seine Zeit, bis die Düngerdepots im Boden, Wasser und Sediment abgebaut sind. Die Natur hat ein langes Gedächtnis, das noch lange die Mastformen begünstigt, bevor sich wieder die ursprünglichen Arten etablieren können. Die Erfassung der Biodiversität erlaubt Aussagen über den Erfolg dieser Sanierung. Die Erfassung der Biodiversität des Planktons zeigt, dass die Umsetzung der Verträge von Rio für kleine, artenreiche und kurzlebige Pflanzengruppen sehr problematisch ist. Eine Einzelprobe oder wenige Monatsproben geben nur einen unvollständigen Eindruck von der Diversität wieder. Dynamische Prozesse (wie saisonale Abfolge und Räuber-Beute-Beziehungen) verändern die Biodiversität im Jahresverlauf, selbst bei gleichbleibender Wasserqualität sehr kurzfristig. Ein flächendeckendes Monitoring ist aus personellen und technischen Gründen nicht möglich. Selbst in den grossen homogenen Lebensräumen der Seen sind der biologischen Analyse enge Grenzen gesetzt. Veränderungen der Nährstoffbelastung überlagern die biologischen Rhythmen langfristig und geben zusätzliche Impulse zur Biodiversität. Die hier vorgestellten langjährigen Analysen zeigen exemplarisch die Abhängigkeit der Diversität von der Trophie und der Jahreszeit auf. Obwohl die meisten Planktonarten als reine Zellkulturen bei höheren Nährstoffbedingungen besser wachsen, führt eine starke Zunahme der Trophie zu einer Abnahme der Biodiversität in limnischen Ökosystemen. Dies ist eine Folge des Konkurrenzausschlussprinzips, welches nur spielt, wenn gute Wachstumsbedingungen die Dominanz der bestangepassten Arten zulassen. Diese Situation trifft für eutrophe und hypertrophe Seen zu. In schwachgedüngten Seen hingegen reichen die stark limitierten Nährstoffe nicht aus, dass sich eine Art gegenüber allen andern durchsetzt. Da das Pelagial (Freiwasserraum ausserhalb der Uferzone) der Seen im Gegensatz zu terrestrischen Systemen keine dauerhafte räumliche Besetzung einer Nische zulässt und für alle Neuankömmlinge offen ist, fehlt auch oft der direkte Bezug zur Umgebung. Eine mitten im See gefundene Art kann eingeschwemmt sein oder unter ganz anderen Bedingungen gewachsen sein. In jeder Einzelprobe finden sich deshalb viele Vertreter aus andern ökologischen Nischen, die zwar unter dem gerade herrschenden Regime unterlegen sind, aber dennoch nicht vollständig eliminiert werden. Sie bleiben als Impfmenge (Inokulum) im Plankton vorhanden und warten auf für sie günstigere Zeiten.

Keywords:
Diversitätsindex, Phytoplankton, Resilienz, Restaurierung eines Voralpensees

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Bürgi H.-R., Stadelmann P. (2002): Alteration of phytoplankton structure in Lake Lucerne due to trophic conditions. Aquatic Ecosystem Health & Management, 5(1), 45-59
http://library.eawag.ch/EAWAG-Publikationen/pdf/EAWAG-03333.pdf

Kontaktadresse:
Hans-Rudolf Bürgi, Limnolog. Abt. EAWAG, CH-8600 Dübendorf
buergi@eawag.ch
Tel: +41 (0) 1 823 51 83
Fax: +41 (0) 1 823 50 28

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