17.2.2011: Forschung international
Überlebenswichtiger Schleim
Un mucus capital pour la survie
Hans-Curt Flemming und Jost Wingender
Das Erfolgsgeheimnis der meisten Bakterien ist, dass sie mit anderen Mikroorganismen zusammen in einer Schleimhülle leben. Wissenschaftler haben nun die komplexe und gleichzeitig geniale Matrix, welche die Natur geschaffen hat, entschlüsselt.
Le secret du succès de la plupart des bactéries consiste dans le fait qu’elles vivent avec d’autres micro-organismes dans une enveloppe de mucus. Des scientifiques ont récemment dévoilé la matrice complexe, mais en même temps géniale que la nature a créé.
Nur die wenigsten Bakterien auf der Welt kommen als winzige Einzelzellen in Wasser vor – die allermeisten führen ein Gemeinschaftsleben mit allen möglichen anderen Mikroorganismen in einer unansehnlichen Schleimhülle. Die aber birgt ihr Erfolgsgeheimnis, wie die Mikrobiologen und Wasserforscher Prof. Dr. Hans-Curt Flemming und Dr. Jost Wingender von der Universität Duisburg-Essen gezeigt haben. Die Schleimhülle ist eine der Ursachen dafür, dass so genannte Biofilme entstehen können: die älteste Form des Lebens auf der Erde. Zugleich ist sie die am weitesten verbreitete und die erfolgreichste – es gibt davon Milliarden von Tonnen.
Ihre Bausteine bestehen aus verschiedenen Biopolymeren, wie Proteine, Polysaccharide und Nucleinsäuren. Sie binden viel Wasser und bilden eine Matrix. In ihr können die verschiedenen Biofilm-Bewohner über längere Zeit hinweg in stabilen Anordnungen bleiben, «Mikrokonsortien» genannt, in denen sie auch komplizierte Verbindungen abbauen können. Sie scheiden Enzyme aus, die in der Matrix hängen bleiben, so dass auch ihre Produkte in der Nähe bleiben und gut verwertet werden – auf diese Weise bilden sie gewissermassen ein externes Verdauungssystem.
Damit können sie alles abbauen, was biologisch abbaubar ist – so können Biofilme sogar Bäume fressen. In der Matrix reichern sie nicht nur gelöste Stoffe an, sondern auch Partikel aus dem Abwasser. In Müllhalden vollbringen sie so auch die biologische Abfallbeseitigung. Sie sind damit die globale Putzkolonne, Träger der Selbstreinigungskräfte im Boden, in Gewässern und technisch in allen Biofiltern genutzt. Gleichzeitig ist die Matrix ein perfektes Recycling-System, das auch abgestorbene Zellen nahezu vollständig wiederverwertet. Wenn Biofilme trockenfallen, hält die Matrix das Wasser zurück, das ihre Bewohner zum Leben brauchen. Bei Bedarf können sie diese Matrix auch umbauen und letzten Endes sogar als Nährstoff verwenden.
Es gibt allerdings keinen Bakterienstamm, der sämtliche Matrix-Bestandteile abbauen kann – so etwas wäre eine Naturkatastrophe, von der die gesamte Selbstreinigung des Planeten betroffen wäre. Aber das ist nicht zu befürchten. Im Laufe der Evolution haben sich so viele verschiedene Varianten dieser Bestandteile entwickelt, dass Enzyme nur Löcher in den Biofilm fressen, ihn aber nicht vollständig beseitigen.
Quelle: Universität Duisburg-Essen
Keywords:
Bakterien, Biofilm, Selbstreinigungskraft
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Flemming H.-C., Wingender J. (2010). The Biofilm Matrix: Key for the Biofilm Mode of Life. Nature Rev. Microbiol. Nat. Rev. Microbiol. 8, 623-633.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Hans-Curt Flemming
Fakultät für Chemie Biofilm Centre
Universität Duisburg-Essen
Universitätsstr. 5
D-45141 Essen
hc.flemming@uni-due.de
Tel: +49 (0)201 183 6601
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