17.1.2011: Forschung international

Funktionelle Diversität im Regenwald in Gefahr

La diversité fonctionnelle de la forêt tropicale est en danger



In den tropischen Regionen der Erde sind in den letzten Jahrzehnten weiträumige Regenwaldgebiete gerodet oder intensiv forstwirtschaftlich genutzt worden. Die nachwachsenden Wälder weisen eine deutlich geringere Artenvielfalt auf. Forschungsergebnisse zur Ressourcennutzung von Ameisen legen den Schluss nahe, dass diese Wälder durch die geringere Biodiversität auch in ihren ökosystemaren Funktionen geschwächt sind.

Dans les régions tropicales du globe, de grandes surfaces de forêt vierge ont été défrichées ou exploitées intensivement pour le bois ces dernières décennies. Les forêts secondaires qui ont succédé présentent une diversité en espèce nettement moins élevée. Des recherches sur l’exploitation des resources par des fourmis montrent que ces forêts présentent des fonctions écosystémiques affaiblies dues à leur pauvre biodiversité.


In den tropischen Regionen der Erde sind in den letzten Jahrzehnten weiträumige Regenwaldgebiete gerodet worden. Auf vielen Flächen sind mittlerweile neue Wälder nachgewachsen, die sogenannten «Sekundärwälder». Diese unterscheiden sich auffällig von den ursprünglichen Regenwäldern, nicht zuletzt durch eine geringere Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt. Wie wirkt sich die verminderte Biodiversität auf die ökologischen Funktionen der Waldgebiete aus?
Im Naturreservat Rio Cachoeira, einem Regenwaldgebiet an der Atlantikküste Brasiliens, haben Wissenschaftler rund 100 verschiedene Ameisenarten systematisch untersucht. Sie wollten herausfinden, wie sich deren Funktionen innerhalb des Ökosystems Regenwald unterscheiden. Im Mittelpunkt stand dabei der Aspekt der Ressourcennutzung, also insbesondere Umfang und Art der Ernährung. Wichtige Hinweise darauf liefern zunächst einige morphologische Eigenschaften, wie etwa die Grösse der Augen im Verhältnis zur Grösse des Kopfes. Ausgewählte Exemplare jeder Ameisenart wurden daher sorgfältig vermessen, die Ergebnisse mit bereits bekannten Daten über das Ernährungsverhalten korreliert.
Die Forschenden haben ausgewählte Individuen jeder Ameisenart einer isotopenchemischen Untersuchung unterzogen und dabei geprüft, in welchem Verhältnis verschiedene Stickstoff-Isotope (15N-Isotope und 14N-Isotope) in ihren Organismen vorkommen. So konnten sie wichtige Hinweise auf die «trophische Position» der jeweiligen Ameisenart gewinnen; d.h. sie konnten ermitteln, zu welchen Anteilen sich die Art mit Stoffen tierischer oder pflanzlicher Herkunft ernährt und welche biochemischen Prozesse dabei durchlaufen werden.
Die Ergebnisse weisen alle in die gleiche Richtung: Die rund 100 untersuchten Ameisenarten lassen sich hinsichtlich ihrer Ressourcennutzung klar voneinander unterscheiden. Dies spricht für eine ausgeprägte funktionelle Diversität, d.h. für die Annahme, dass jede Ameisenart innerhalb des Ökosystems Regenwald eine spezifische Funktion hat, die eine andere Ameisenart nicht oder nicht in gleicher Weise erfüllen kann. Die Forschungsergebnisse stützen daher eindeutig die Hypothese, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und funktioneller Diversität besteht. Sie legen den Schluss nahe, dass Sekundärwälder im Vergleich mit den ursprünglichen tropischen Regenwäldern nicht nur eine geringere Biodiversität aufweisen, sondern dadurch auch in ihren ökosystemaren Funktionen geschwächt sind.

Quelle: Universität Bayreut

Keywords:
Tropenwald, Ökosystemleistungen, Ameisen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Bihn J.H., Gebauer G., Brandl R. 2010. Loss of functional diversity of ant assemblages in secundary tropical forests. Ecology 91, 782-792.

Kontaktadresse:
Prof. Dr. Gerhard Gebauer
Leiter des Labors für Isotopen-Biogeochemie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
gerhard.gebauer@uni-bayreuth.de
Tel: +49 (0)921 55-2060


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