17.1.2011: Forschung CH

Klimawandel stört Massenvermehrung des Grauen Lärchenwicklers

Le changement climatique perturbe la pullulation des tordeuses grises du mélèze



Derek M. Johnson et al.

Die wärmeren Temperaturen in den Alpen stören die zyklische Massenvermehrung des Grauen Lärchenwicklers. Die Ausbruchherde der alpinen Lärchenwicklerpopulationen sind in den letzten Jahrzehnten von ursprünglich rund 1600 auf heute über 2000 m Meereshöhe angestiegen.

Les températures plus clémentes dans les Alpes perturbent les pullulations cycliques de la tordeuse grise du mélèze. Les zones d’émergence des populations alpines de tordeuses du mélèze ont passé de 1600m à l’origine à plus de 2000m au-dessus du niveau de la mer.


Anhand von vielen tausend Jahrringdaten von Lärchen aus den Europäischen Alpen sowie mittels der ökologischen Modellierung von Veränderungen im Populationswachstum haben Klima- und Umweltwissenschaftler der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zusammen mit Kollegen aus den USA, Norwegen und Deutschland eine Erklärung für das Ausbleiben, beziehungsweise die geringere Intensität zyklischer Massenvermehrungen des Grauen Lärchenwicklers (Zeiraphera diniana) gefunden. Sie zeigen in einer Studie, dass sich das Verbreitungsgebiet des Lärchenwicklers aufgrund des Klimawandels in immer höher gelegene subalpine Lärchenwälder verschoben hat. Die steigenden Temperaturen haben die Spuren der Schmetterlinge im Jahrringbild verändert. Die grossräumigen und in Zyklen von acht bis neun Jahren auftretenden Massenvermehrungen bis 1981 waren eindeutig mit Hilfe der reduzierten Jahrringbreiten zu erkennen. Heute finden die Raupen, die sich vorwiegend von den Nadeln der Lärchen ernähren, in höheren Lagen der Alpen jedoch nicht mehr genügend Futter. Ihre sonst so charakteristische Massenvermehrung ist seit den frühen 1980er-Jahren ausgeblieben oder verläuft weniger ausgeprägt als in ehemals kälteren Zeiten.
Die Studie macht eindrücklich auf die Komplexität des Klimawandels aufmerksam, indem sie unterschiedlich schnell reagierende Entwicklungen in einem Ökosystem berücksichtigt. Während das Ansteigen der Waldgrenze nicht mit der Geschwindigkeit der Erwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mithalten kann, sind die empfindlichen Insekten anpassungsfähiger. Sie suchen sich einen höher gelegenen Lebensraum und sind somit viel flexibler als ihre langsam wachsenden Futterquellen, die Lärchenwälder. Die Ausbruchherde der alpinen Lärchenwicklerpopulationen, die durch die Zonen des stärksten Nadelverlusts, sowie die markantesten Einbrüche in Jahrringbreite und Spätholzdichte nachgewiesen werden können, sind in den letzen Jahrzehnten von rund 1600 m auf über 2000 m Meereshöhe, also bis an die obere Waldgrenze, angestiegen. Dieses zeitliche Diskrepanz im Reaktionsverhalten von sich schnell anpassenden Insekten und deren sich nur langsam verändernden Futterreserven, den Bäumen, auf den globalen Klimawandel hat fundamentale Auswirkungen auf ein Ökosystem, das sich nachweislich über mehr als tausend Jahre im Gleichgewicht befunden hat. Die Ergebnisse liefern insgesamt ein weiteres, unabhängiges und eindeutiges Indiz für den Klimawandel und seine unmittelbaren Auswirkung auf die Stabilität von Ökosystemen und allgemein auf unseren Lebensraum.
Quelle: Eidgenössische Forschungsanstalt WSL


Keywords:
Klimawandel, Lärchenwickler, Insekten, Massenvermehrung

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Derek M. Johnson et al. (2010). Climatic warming disrupts recurrent Alpine insect outbreaks. PNAS, 8. November 2010, doi: 10.1073/pnas.1010270107.

Kontaktadresse:
Dr. Ulf Büntgen
Dendroklimatologie
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111
8903 Birmensdorf

ulf.buentgen@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 7392 679


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