30.11.2010: Forschung CH
Weltkarte zeigt Flüsse in der Krise
Une carte du monde montre les fleuves en crise
Vörösmarty C. J. et al.
Erstmals zeigt eine Studie im globalen Massstab, wie stark Flüsse unter Druck sind. Bedroht ist nicht nur die wohl wichtigste Ressource der Menschheit, das Süsswasser, sondern auch die Biodiversität der Flusssysteme. Die Resultate machen deutlich, wie die gute Wasserverversorgung und Abwasserentsorgung in Mitteleuropa oder Nordamerika die Bevölkerung über die Realität der Gewässerbiodiversität hinwegtäuschen.
Une étude met en évidence pour la première fois à l’échelle globale combien les fleuves sont sous pression. L’eau douce, ressource capitale pour l’humanité, n’est pas la seule menacée. La biodiversité des systèmes fluviatiles l'est aussi. Les résultats montrent clairement que le bon fonctionnement de l’approvisionnement en eau et de l’évacuation des eaux usées en Europe centrale et en Amérique du Nord dissimule à la population la réalité sur l’état de la biodiversité des eaux.
Daten von 23 Faktoren – von der Gewässerverschmutzung, der Landnutzung über den Verlust von Feuchtgebieten, den Bau von Dämmen und Stauseen bis zur Verbreitung von invasiven Tierarten – hat das internationale Forscherteam zusammengetragen. Mit einem digitalen Gewässermodell haben die Wissenschaftler anschliessend globale Karten der Gesamtbelastung für die grossen Flusssysteme erstellt. Dabei zeigt sich, dass rund 80 Prozent der Weltbevölkerung von überdurchschnittlich stark belasteten Flüssen abhängig sind. Vielfach gefährden dieselben Faktoren sowohl die menschliche Nutzung sauberen Wassers in ausreichenden Mengen als auch die Biodiversität. So schmälert zum Beispiel die Abkopplung der Auen vom Fluss den Hochwasserrückhalt und die Grundwasseranreicherung und entzieht gleichzeitig selten gewordenen Arten den Lebensraum.
Die Fragen rund um das Wasser für den Menschen und um die Biodiversität dürfen deshalb nicht länger getrennt voneinander betrachtet werden, so die Wissenschaftler. Obwohl sich die industrialisierten Länder seit Jahrzehnten um sauberes Wasser bemühen und sich für den Gewässerschutz engagieren, zeigt die Synthese, dass die Flüsse auch in Ländern wie den USA und im westlichen Europa massiv unter Druck stehen. Grosse Investitionen in die Wasserreinigung, die Wasseraufbereitung und den Hochwasserschutz konnten verhindern, dass die Situation für die Bevölkerung heikel wurde. Aber vergleichbare Massnahmen zum Erhalt der Biodiversität gibt es nicht. Die Bedrohung der Biodiversität unterscheide sich darum hierzulande kaum von der prekären Situation in vielen Entwicklungsländern.
Letztlich zeigt die Studie, dass es viel günstiger und vernünftiger ist, Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu begrenzen, als Schäden später zu heilen. Die weltweite Analyse, so hoffen die Autoren, könnte Regierungen und Planern in vielen Teilen der Welt helfen, im Wassermanagement nicht die Fehler der reichen Länder zu wiederholen, sondern aus den gemachten Erfahrungen zu lernen. Statt Milliarden ausschliesslich für punktuelle Wiederherstellungsmassnahmen und für Technologien aufzuwenden, gelte es, grundlegend neue Konzepte und Strategien zu entwickeln. Diese müssten die Biodiversität neben der Sicherung aller wasserwirtschaftlichen Aspekte zugunsten des Menschen gleichwertig berücksichtigen.
Trotz der klaren Resultate sind die Autoren der Studie vorsichtig mit ihren Schlussfolgerungen. Dies, weil in vielen Fällen die Datengrundlage unzureichend ist. Es fehlen vor allem Informationen, die international vergleichbar sind. Sie fordern deshalb, dass die Verwaltungen den Abbau im Umweltmonitoring stoppen und mehr in die Erhebung von Basisinformationen zur Wasserqualität und -quantität investieren sollen.
Keywords:
Flüsse, Gewässerbiodiversität, Wasserreinigung, Hochwasserschutz, Umweltmonitoring
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Vörösmarty C. J. et al. (2010). Global threats to human water security and river biodiversity. Nature 467, 555-561.
http://www.riverthreat.net
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Mark Gessner
Eawag
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