11.11.2010: Forschung CH
Weniger Landwirtschaftsvögel wegen zu dichter Bodenvegetation
Moins d’oiseaux des milieux agricoles à cause d’une végétation au sol trop dense
Michael Schaub et al.
Dichte Bodenvegetation könnte den Rückgang von Insekten fressenden Vögeln im Landwirtschaftsland erklären. Forschende haben herausgefunden, dass die Vögel auf offene Flächen im Kulturland angewiesen sind, um genügend Nahrung erbeuten zu können.
Une végétation au sol dense pourrait expliquer la diminution des oiseaux insectivores en milieu agricole. Des chercheurs ont montré que les oiseaux ont besoin de zones ouvertes dans des surfaces agricoles pour capturer suffisamment de nourriture.
Gartenrotschwanz, Heidelerche, Wendehals, Wiedehopf: Die Bestände all dieser für das Landwirtschaftsland typischen Vogelarten zeigen in ganz Mitteleuropa seit Jahrzehnten starke Abnahmen. Auch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen, welche die Biodiversität im Landwirtschaftsland fördern sollen, konnten den Rückgang nicht bremsen. Eine Forschergruppe vom Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern und der Vogelwarte Sempach hat nun eine mögliche Erklärung gefunden: Weil offene Bodenstellen im landwirtschaftlich genutzten Grünland weitgehend fehlen, können Vögel keine Insekten mehr erbeuten.
Mithilfe von winzigen Telemetrie-Sendern haben die Forschenden das Nahrungssuchverhalten der vier Arten in verschiedenen landwirtschaftlichen Kulturen (Niederstamm- und Hochstammobstgärten, Reben) detailliert untersucht. Die Resultate zeigen, dass vor allem die Struktur der Bodenvegetation bestimmt, wo die Vögel ihre Nahrung finden. In allen untersuchten Kulturen zeigten die Vögel eine starke Bevorzugung für Orte, deren Bodenvegetation lückig war, also ein Mosaik von unbewachsenen und bewachsenen Stellen aufwies. Der offene Boden ermöglicht es den Vögeln, Insekten zu erbeuten, während die nahe Vegetation sicherstellt, dass sich Insekten entwickeln können.
Heute weisen viele Hochstammobstgärten eine viel zu dichte Bodenvegetation auf. Die Vögel können keine Beute mehr finden und wandern ab oder verhungern sogar. Paradoxerweise überleben einige dieser seltenen Vogelarten in sehr intensiv bewirtschafteten Kulturen wie Niederstammanlagen. Hier profitieren sie von der mechanischen oder chemischen Entfernung der Bodenvegetation unter den Stämmen.
Zurzeit gibt es in der Schweiz und europaweit keine ökologische Ausgleichsmassnahme, die eine lückige Bodenvegetation aktiv fördert oder schafft. Die Forschenden schlagen deshalb vor, die Massnahmen entsprechend anzupassen. Falls es gelingt, zum Beispiel in Hochstammobstgärten wieder nennenswerte Flächen mit lückiger Bodenvegetation zu schaffen, können sich die Bestände vieler Vogelarten vielleicht wieder erholen. Auch die Rebflächen weisen diesbezüglich ein grosses Potenzial auf – sie sollten teilweise, aber nicht vollständig begrünt werden.
Keywords:
Vögel, Landwirtschaft, Hochstammobstgärten, ökologischer Ausgleich
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Schaub M. et al. (2010). Patches of Bare Ground as a Staple Commodity for Declining Ground-Foraging Insectivorous Farmland Birds. PLoS ONE. doi:10.1371/journal.pone.0013115
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Raphaël Arlettaz
Institut für Ökologie und Evolution der Universität Bern
Erlachstrasse 9a
CH-3012 Bern
raphael.arlettaz@iee.unibe.ch
Tel: +41 (0)79 637 51 76
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