24.8.2010: Forschung CH

Hochwertige ökologische Ausgleichsflächen braucht das Land

Le pays a besoin de surfaces de compensation écologique de grande valeur



Markus Rudin et al.

Was bringt die ökologische Aufwertung von landwirtschaftlichen Flächen für die Biodiversität? Die Schweizerische Vogelwarte Sempach ist dieser Frage nachgegangen, indem sie im ökologisch aufgewerteten St. Galler Rheintal bei Altstätten die Brutvögel in einer Langzeitstudie untersucht hat. Auf den aufgewerteten Flächen war die Entwicklung sowohl bei der Anzahl der Kulturlandarten als auch bei deren Beständen positiv, während auf den benachbarten, intensiv genutzten Kulturlandflächen eine fortschreitende Verarmung festzustellen war.

Qu’apporte la revalorisation écologique des surfaces agricoles à la biodiversité? La Station Ornithologique Suisse de Sempach s’est intéressée à cette question en suivant, au cours d’une étude de longue durée, les oiseaux nicheurs de la vallée du Rhin revalorisée écologiquement près de Altstätten, St. Gall. L’évolution tant du nombre d’espèces liées aux milieux agricoles que de leurs populations était positive sur les surfaces revalorisées, alors qu’on constate un appauvrissement continu sur les surfaces agricoles voisines, exploitées intensivement.


Seit 1993 wurden in der Rheinebene bei Altstätten (Kanton St. Gallen) unter der Leitung von Pro Riet Rheintal zahlreiche Flächen ökologisch aufgewertet. Im Rahmen einer Wirkungskontrolle wurde untersucht, wie sich diese Massnahme auf die Artenzahl und die Bestände von Brutvogelarten des Kulturlands ausgewirkt haben. 1988, 1989, 1999 und 2006 wurden auf einer 12,6 km2 grossen Untersuchungsfläche die Bestände von ausgewählten Brutvogelarten erfasst.
1988 wurde das Untersuchungsgebiet zu rund 95% landwirtschaftlich intensiv genutzt. Im Zentrum des Gebiets lagen 68,7 ha Feuchtgebiete, die bis 1995 unter Naturschutz gestellt wurden. Über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt fanden sich lineare Strukturen (Kanäle, Baumhecken) mit einer Gesamtlänge von rund 39 km. Ab 1993 wurden rund 97 ha neue ökologische Ausgleichsflächen geschaffen. Sie konzentrieren sich um die Naturschutzgebiete.
22 Brutvogelarten des Kulturlands konnten nachgewiesen werden. In den Naturschutzgebieten wurden mehr Arten als in den übrigen Nutzungstypen (ökologisch hochwertige ökologische Ausgleichsflächen, ökologische Ausgleichsflächen gemäss DZV, lineare Strukturen und übriges Kulturland) beobachtet. Die Artenzahl blieb im gesamten Untersuchungsgebiet konstant. Auf lokaler Ebene gab es aber markante Unterschiede: auf den ökologischen Ausgleichsflächen nahm die Artenvielfalt zu, in den übrigen Nutzungstypen ging sie zurück: nur leicht in den Naturschutzgebieten, deutlich in den linearen Strukturen und im übrigen Kulturland.
Für 12 häufigere Arten konnten die Bestandstrends berechnet werden: Die Bestände von Schwarzkehlchen, Teichrohrsänger, Fitis, Neuntöter und Rohrammer stiegen an. Das Schwarzkehlchen wurde während der Untersuchungen erstmals 1990 festgestellt. Kiebitz und Baumpieper verschwanden als Brutvögel aus dem Untersuchungsgebiet, die Siedlungsdichte der Feldlerche sank, ebenso jene von Gelbspötter und Sumpfrohrsänger. Keine Veränderungen wurden bei Feldschwirl und Goldammer festgestellt.
In den Naturschutzgebieten sowie in den hochwertigen ökologischen Ausgleichsflächen überwogen die Bestandszunahmen, im Kulturland, in den ökologischen Ausgleichflächen gemäss DZV und in den linearen Strukturen überwogen die Bestandsabnahmen. Im gesamten Untersuchungsgebiet hielten sich bei den 12 häufigeren Arten Bestandszu-/-abnahmen die Waage, während in der übrigen Schweiz Arten mit rückläufigen Beständen überwiegen. Das Projekt im St. Galler Rheintal ist eines der wenigen Beispiele für ein grossflächiges Lebensraum-Aufwertungsprojekt, bei dem eine Wirkungskontrolle durchgeführt wurde.

Keywords:
ökologische Ausgleichsflächen, Naturschutzgebiete, Brutvögel, Landwirtschaft, Erfolgskontrolle

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Rudin Markus et al. (2010). Bestandsentwicklung von Brutvögeln im ökologisch aufgewerteten St. Galler Rheintal. Der ornithologische Beobachter Band 107: 81-100.
http://www.vogelwarte.ch/home.php?lang=d&cap=projekte&subcap=lebensraum&file=../detailprojects.php&projId=94

Mehr Informationen

Kontaktadresse:
Schweizerische Vogelwarte,
6204 Sempach
simon.birrer@vogelwarte.ch
Tel: +41 (0)41 462 97 00


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