24.8.2010: Forschung international
Wo die Wirtschaft floriert, überleben fremde Arten besser
Les espèces étrangères survivent mieux où l’économie prospère
Wolfgang Nentwig et al.
Invasive Pflanzen und Tiere profitieren von der Globalisierung: Weltweit dringen sie über Reise- und Handelsrouten in neue Gebiete vor und verdrängen einheimische Arten. Am erfolgreichsten breiten sie sich in wirtschaftlichen Ballungszentren aus. Dies hat ein internationales Forscherteam mit Berner Beteiligung herausgefunden.
Les plantes et animaux invasifs profitent de la globalisation: dans le monde entier, ils colonisent de nouvelles régions en empruntant les voies de commerce et de voyage et supplantent certaines espèces indigènes. Ils se dispersent avec le plus grand succès dans les grands centres économiques. Ces faits ont été mis en évidence par un groupe international de chercheurs, dont des chercheurs de l’Université de Berne.
Für die biologische Invasion nicht-einheimischer Arten sind nicht geografische oder klimatische Faktoren bestimmend – sondern der Faktor «Mensch», genauer: der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes und dessen Bevölkerungsdichte. Dies hat eine internationale Forschergruppe mit Beteiligung des Instituts für Ökologie und Evolution der Universität Bern herausgefunden. Damit wurde erstmals nachgewiesen, dass der menschgemachte Einfluss grösser ist als natürliche Einflüsse.
Das internationale Wissenschaftlerteam hat Daten der DAISIE-Datenbank über gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten in Europa ausgewertet. Das EU-Projekt DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe; www.europe-aliens.org) hatte in den vergangenen Jahren zum ersten Mal für die Länder Europas alle bekannten gebietsfremden Arten erfasst. Über 11.000 Arten sind es insgesamt in Europa. Für die Studie wurde die Anzahl dieser Arten in 55 Regionen und Ländern untersucht.
In umfassenden Modellberechnungen kombinierten die Forschenden Daten zu invasiven Tier- und Pflanzenarten mit Faktoren, welche als förderlich für eine Ausbreitung dieser Arten in Europa gelten. Die Modelle zeigen: Für eine erfolgreiche Bio-Invasion braucht es zwar günstige natürliche Bedingungen – aber den Ausschlag geben ökonomische und demografische Faktoren. So war die Ausbreitung in stark besiedelten und wirtschaftlich reichen Gebieten mit mehr als 90 Einwohnern pro Quadratkilometer und einem Pro-Kopf-Einkommen von ungefähr USD 250’000 am höchsten. Am wenigsten fremde Arten fanden sich in dünn besiedelten Gebieten.
Bevölkerungswachstum, Handel und Reichtum sind die Ursachen für die immer stärkere Einschleppung invasiver Arten. Dies stellt die Gesellschaft vor grosse Herausforderungen. Wie können die negativen Effekte von verstärktem Reise- und Handelsverkehr begrenzt werden, ohne das Wirtschaftswachstum zu hemmen? Laut den Forschenden liesse sich zum Beispiel der Marktpreis von «Risikoartikeln» wie neuen, gezielt eingeführten Heimtieren und Pflanzenarten verteuern – entsprechend den Folgekosten, die bei ihrer Freisetzung und Ausbreitung entstehen würden. Die Forschenden fordern daher die Politik zum Handeln auf. Bereits heute kostet die Bekämpfung invasiver Arten, etwa die Eindämmung von Schädlingen in der Landwirtschaft, die Europäische Union über 10 Milliarden Euro pro Jahr. Unerlässlich ist eine Zusammenarbeit von wissenschaftlichen und politischen Institutionen, um diejenigen Einflüsse noch genauer zu bestimmen, welche die Bio-Invasion am meisten begünstigen. Nur so können politische Akteure die Ausbreitung invasiver Arten abschätzen und bekämpfen, ohne ganze Wirtschaftszweige zu behindern.
Keywords:
invasive Arten, Bevölkerunsgdichte, Wohlstand, Globalisierung, Handel
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Pyek P., Jaroík V., Hulme P.E. et al. (2010). Disentangling the role of environmental and human pressures on biological invasions. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 2010, doi/10.1073/pnas.1002314107
http://ecol.iee.unibe.ch/content/
Mehr Informationen
Kontaktadresse:
Wolfgang Nentwig, Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern, Baltzerstrasse 6, CH 3012 Bern
wolfgang.nentwig@iee.unibe.ch
Tel: +41 (0) 31 631 4520
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