22.2.2010: Forschung CH

Gänsesäger im Alpenraum – eine eigenständige Population

Le harle bièvre dans les Alpes – une population autonome



Eine Synthese der Schweizerischen Vogelwarte stellt das derzeitige Wissen zum Gänsesäger aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um die Stellung der Alpenpopulation innerhalb Europas besser verstehen zu können. Die Resultate zeigen, dass die im Alpenraum brütenden Gänsesäger eine eigenständige Population bilden, für welche die Schweiz und die anderen Alpenländer eine besondere Verantwortung tragen.

Une synthèse de la Station Ornithologique Suisse rassemble les connaissances actuelles et provenant de différentes disciplines sur le harle bièvre. L’objectif est de mieux comprendre la situation de la population alpine de harles bièvres au sein de l'Europe. Les résultats montrent que les harles bièvres nichant dans l’arc alpin forment une population autonome, pour laquelle la Suisse et les autres pays alpins portent une responsabilité particulière.


Das Hauptverbreitungsgebiet des Gänsesägers Mergus merganser in Europa erstreckt sich von Norwegen bis nach Russland. Die Brutpopulation des Gänsesägers im Alpenraum wurde 1998 auf 1000 bis 1400 Brutpaare geschätzt. Sie konzentriert sich auf die Schweiz, Bayern und das angrenzende Oberösterreich. Der Gänsesäger hat sein Brutgebiet in den letzten Jahrzehnten ausgedehnt, und der Brutbestand ist angestiegen. Im Winter kommen zu den Brutvögeln Wintergäste aus Nordeuropa hinzu. Ringfunde und Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Weibchen das ganze Jahr im Alpenraum bleiben und hier auch ihre Schwingen mausern. Ob die Männchen einen Mauserzug nach Nordskandinavien durchführen, bleibt zu vermuten, es fehlen aber Ringfunde, die das bestätigen würden.
Genetische Untersuchungen an Gänsesägern aus den Brutpopulationen Islands, Nordeuropas und des Alpenraums haben eine klare Isolation der isländischen Population gezeigt. Innerhalb der Proben aus Nordeuropa ergaben sich keine Unterschiede. Zwischen den Brutpopulationen in Nordeuropa und den Alpen ergaben sich Unterschiede in der über die Weibchen vererbten mitochondrialen DNA, nicht aber in nuklearen DNA-Markern. Die Unterschiede lassen sich durch das Paarungs- und Zugverhalten des Gänsesägers erklären. Die Analyse der mitochondrialen DNA ergab zudem für die Proben aus der Schweiz und Bayern nur je zwei (unterschiedliche) Haplotypen.
Die kleine Anzahl und die Unterschiede zwischen den Proben aus der Schweiz und aus Bayern deuten darauf hin, dass die Besiedlung des Alpenraumes von separaten kleinen Gründerpopulationen ausging. Proben von in der Schweiz im Winter geschossenen Gänsesägern enthielten neben den für die Schweizer Brutpopulation typischen Haplotypen auch solche nordischer Vögel. Die anteilsmässige Zusammensetzung der Haplotypen deutet darauf hin, dass über die Hälfte des Winterbestands aus Individuen der alpinen Brutpopulation besteht, was wiederum mit den Ergebnissen der winterlichen Wasservogelzählungen in der Schweiz zusammenpasst. Wegen der Unterschiede in der Genetik und im Verhalten ist die alpine Population des Gänsesägers als eigenständige Population zu betrachten, für welche die Alpenländer eine besondere Verantwortung tragen. Dieser Status wurde der alpinen Population (als «Central-West European population») bereits bei der letzten Aktualisierung der globalen Bestandsschätzungen von Wasservögeln zuerkannt.


Keywords:
Gänsesäger, internationale Verantwortung, Schweiz, Genetik

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Keller V. (2009). The Goosander Mergus merganser population breeding in the Alps and its connections to the rest of Europe. Wildfowl Special Issue 2: 60-73.

Hefti-Gautschi B. et al. (2009). Identification of conservation units in the European Mergus merganser based on nuclear and mitochondrial DNA markers. Conservation Genetics 10: 87-99.

http://infonet.vogelwarte.ch/upload/67703339.pdf

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Kontaktadresse:
Dr. Verena Keller
Schweizerische Vogelwarte
CH-6204 Sempach

verena.keller@vogelwarte.ch
Tel: +41 (0)41 462 97 00


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