4.2.2010: Forschung international

Korallenriffe als Evolutionszentren

Les barrière de corail sont des centres de l’évolution



W. Kiessling, C. Simpson, M. Foote

Tropische Korallenriffe beherbergen eine ungeheure Anzahl von Tierarten. Einem Forscherteam ist es nun gelungen, die wichtige Rolle tropischer Riffe bei der Entstehung neuer Gattungen zu belegen.

Les barrières de corail tropicales abritent une quantité incroyable d’espèces animales. Un groupe de chercheurs a réussi à montrer le rôle capital des barrières de corail pour l’apparition de nouveaux genres.


Bislang wurde die hohe Diversität tropischer Korallenriffe überwiegend so erklärt, dass Riffe aufgrund ökologischer Faktoren Anziehungspunkte für viele Arten darstellen, die an anderen Orten entstanden sind. Neue Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass die Riffe vielmehr als Wiegen der Evolution anzusehen sind: Neue Tiergattungen entstehen besonders dort und werden dann in andere Ökosysteme exportiert.
Neue Tierarten entstehen überall und ständig, es gibt aber räumliche Muster der Biodiversität: Die Artenvielfalt ist am höchsten in den Tropen und am niedrigsten an den Polen, höher im Flachwasser als in der Tiefsee, grösser im Flachland als auf den Bergen und höher in Korallenriffen als ausserhalb. Schon länger wurde vermutet, dass hinter diesen Mustern nicht nur ökologische Faktoren stecken. Die höhere Artenvielfalt der Tropen wird grösstenteils darauf zurückgeführt, dass dort neue Arten leichter entstehen als in höheren Breiten.
Die Wissenschafter untersuchten nun auf Basis einer Zusammenstellung aller bekannten Fossilfunde, in welchen Lebensräumen sich das älteste Auftreten von Tiergattungen konzentrierte. Ihr Fazit: Die Neuentstehungsraten von Gattungen sind in Riffen 45 Prozent höher als in anderen tropischen Lebensräumen. Die Autoren machen dafür die hohe topographische Komplexität von Riffen verantwortlich.
Die in Riffen neu entstandene Vielfalt ist auch eine Diversitätsquelle für andere Lebensräume. Über 65 Prozent der Gattungen werden exportiert, deutlich mehr als importiert werden. Verantwortlich für diesen Export-Überschuss ist vermutlich die Diversität selbst. Sie wirkt als Barriere gegen von aussen eindringende, gebietsfremde Arten. Die Studie zeigt abermals -– gerade auch im Kontext der Klimadebatte –, wie wichtig Korallenriffe für die Erhaltung der Artenvielfalt in den Meeren sind.


Keywords:
Artenvielfalt, Evolution, Korallenriffe

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Kiessling W., Simpson C., Foote M. (2010). Reefs as Cradles of Evolution and Sources of Biodiversity in the Phanerozoic. Science 327, 196-198.

Kontaktadresse:
Professor Dr. Wolfgang Kießling
Museum für Naturkunde
Invalidenstraße 43
D-10115 Berlin

wolfgang.kiessling@mfn-berlin.de
Tel: +49 (0)30 2093 8576


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