11.6.2009: Forschung CH

Die Alpenpflanzen des Tössberglandes gestern, heute und morgen

La flore alpine du Tössbergland hier, aujourd’hui et demain



John H. Spillmann, Rolf Holderegger

Die Alpenflora im Tössbergland zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist aussergewöhnlich gut dokumentiert. Eine Wiederholung der alten Pflanzenaufnahmen verdeutlicht die Auswirkungen einer stark veränderten Landnutzung in den letzten 100 Jahren. Die Resultate wurden nun in einem Buch publiziert. Die Autoren stellen rückläufige Vorkommen fest, leiten Massnahmen zum Schutz der speziellen Flora im Tössbergland ab und wagen auch einen Blick in die Zukunft.

La flore alpine du début du 20ème siècle du Tössbergland est particulièrement bien documentée. Le renouvellement des anciens relevés a mis en évidence les effets d’un changement massif dans l’utilisation des terres au cours des 100 dernières années. Les résultats sont maintenant publiés dans un livre. Les auteurs constatent des peuplements en baisse, proposent des mesures pour une protection de la flore particulière du Tössbergland et se hasardent à des prévisions.


Die Flora des Tössberglandes zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist aussergewöhnlich gut dokumentiert. Dies ist vor allem den berühmten Botanikern Gustav Hegi und Heinrich Kägi zu verdanken, die in diesem Raum botanisierten und ihre Aufnahmen schriftlich festhielten. Sie fanden eine faszinierende Vielfalt insbesondere an Alpenpflanzen vor, die sich hier, an Felsen und auf mageren Bergweiden wachsend, bis weit ins Schweizer Mittelland vorschob.
John H. Spillmann und Rolf Holderegger sind diesen historischen Spuren gefolgt und haben die Veränderungen der Pflanzenwelt durch Neuaufnahmen beurteilt. Ihre Resultate haben sie nun in einem Buch veröffentlicht.
Die Neuaufnahmen sind vor allem deshalb von besonderem Interesse, weil sich die Landnutzung in den vergangenen 150 Jahren besonders stark verändert hat. In dieser Zeit wurden Alpweiden zunehmend intensiver genutzt und Wälder im Zusammenhang mit der Tössverbauung aufgeforstet. Die Waldweide wurde dabei grösstenteils aufgegeben, und heute sind magere Weiden und Heuwiesen nur noch in Resten vorhanden.
Die Autoren haben die Verbreitung von 100 Alpenpflanzenarten neu aufgenommen und mit früher verglichen. Sie stellten fest, dass 16 dieser Arten inzwischen ausgestorben sind, wobei diese aber auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon selten waren. Allgemein gingen auch die Fundorte der noch vorkommenden Arten zurück, und ihre Verbreitung ist heute deutlich weniger geschlossen und entsprechend anfälliger. Je nach Lebensraum zeigten sich unterschiedliche Entwicklungen: Im Wald waren vor allem lichtliebende Arten von einem starken Rückgang betroffen, im übrigen Grünland hingegen Arten der höheren Lagen und an nährstoffarme Standorte gebundene Arten. Als Gründe dafür nennen die Autoren die Verdunkelung der Wälder, die Aufgabe traditioneller Bewirtschaftungen und ganz allgemein die Intensivierung.
Von ihren Florenvergleichen und floristischen Untersuchungen ausgehend leiten die Autoren Massnahmen zum Schutz der Flora ab. Sie empfehlen beispielsweise die Förderung und Pflege von Naturwaldflächen und Sonderwaldreservaten, eine Einschränkung der Düngung auf den letzten artenreichen Bergweiden und den Schutz von Feuchtgebieten.
Die Autoren wagen aber auch einen Blick in die Zukunft und malen sich aus, wie sich das Tössbergland entwickeln könnte. Die fünf Szenarien, die sie für das Jahr 2040 aufstellen – sie reichen von «Business as usual» bis zum «Biodiversitätspark» – sind gelungen und runden das Werk ab.



Keywords:
Landnutzungsveränderungen, Alpenpflanzenflora, Florenvergleiche, Arten- und Biotopschutz



Literatur:
Spillmann J.H., Holderegger R. (2008). Die Alpenpflanzenflora des Tössberglandes. Einhundert Jahre nach Gustav Hegi. Zürich, Bristol-Stiftung; Bern, Stuttgart, Wien, Haupt. 220 S.
www.naturschutzbiologie.ch

Kontaktadresse:
John H. Spillmann
Kempttalstr. 69
8320 Fehraltorf


John_spillmann@bluewin.ch


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