17.4.2008: Forschung CH
Brachstreifen in Streuewiesen: Was meinen die Landwirte, was die Naturschutzfachleute?
Regina Zäch und Andreas Gigon
Mit Hilfe von standardisierten Interviews mit Landwirten und Naturschutzfachleuten wurde untersucht, wie die Bewirtschaftung von Streuewiesen und das Stehen lassen von Brachen beurteilt werden. Die Studie liefert interessante Erkenntnisse, die für eine Optimierung des Bewirtschaftungssystems von grosser Bedeutung sind.
Die traditionelle Streuebewirtschaftung hat über die Jahrhunderte zu einer grossen Vielfalt an Pflanzen und Tieren auf Streuewiesen geführt. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigten, dass die Fauna unter der heute eher grossflächigen und innert weniger Tage stattfindenden Bewirtschaftung leidet. Mit dem Stehen lassen einzelner Streuepartien (Brache-/Altgrasstreifen) über den Winter kann diesem Problem entgegengewirkt werden.
Eine spezielle Form solcher Streifen sind so genannte Ried-Rotationsbrachen (RiRoBra). Insbesondere Gruppen von Käfern, Wanzen und Schmetterlingen profitieren erwiesenermassen von dieser Bewirtschaftungsstrategie. Bis anhin war jedoch unklar, wie Landwirte, die die Streuewiesen bewirtschaften, die Praktikabilität dieser Brachen beurteilen. Die vorliegende Untersuchung hatte zum Ziel, ein differenziertes Bild über die Art und Weise, wie Landwirte und Naturschutzbeauftragte die Bewirtschaftung von Streuewiesen und das Stehen lassen von Brachen − insbesondere jährlich verschobenen Brachen, sog. Rotationsbrachen − beurteilen.
Zwischen März und Juli 2006 wurden 18 Landwirte und 10 Naturschutzfachleute in den Gebieten Reusstal (AG), Greifensee (ZH) und Schmeriker Allmend (SG) in einem standardisierten Interview zur Bewirtschaftung von Streuewiesen befragt. Die qualitative Auswertung lieferte die folgenden Ergebnisse:
1. Die meisten Landwirte sind bereit, Rotationsbrachen in ihrem Alltag umzusetzen, sofern entsprechende Bewirtschaftungsbeiträge geleistet werden.
2. Die Naturschutzfachleute sind sich einig, dass es wichtig ist, Brachen stehen zu lassen. Über die Art und Weise herrscht jedoch kein Konsens.
3. Zwischen den drei Kantonen der Untersuchung bestehen beträchtliche Unterschiede in der Gesetzgebung und der Naturschutzpraxis. Landwirte im Kanton Aargau werden vertraglich zum Stehen lassen von Brachen verpflichtet; in den Kantonen St. Gallen und Zürich lassen einige wenige Landwirte aus eigener Initiative Streifen stehen; andere kennen das Prinzip der Brachestreifen gar nicht.
4. Folgende Gründe können dazu geführt haben, dass Landwirte bis anhin Brachestreifen selten aus eigener Initiative stehen lassen: Sie wissen meist nicht, wo Brachestreifen stehen zu lassen sind; das Stehen lassen sei kompliziert; Landwirte wollen produzieren − Streueertrag und -qualität sind deshalb wichtiger als die Erhaltung der Biodiversität; Landwirte wollen ein «sauberes Ried», d.h. ohne überständiges «unordentliches Gras»; sie erkennen den Sinn der Brache nicht; die finanziellen Anreize sind zu gering.
5. Die Landwirte stellen folgende Anforderungen an Ried-Rotationsbrachen: Kein untragbar grosser Aufwand; nicht an Orten, wo durchgefahren werden muss, weder im Eingang einer schmalen Parzelle, noch mitten drin; die Streifen sollen längs und nicht quer zur Parzelle stehen; das Kehren muss problemlos möglich sein, ebenso das Vorbeifahren an den Streifen; Brachestreifen sollen nicht an Stellen mit Holzpflanzen wie Erlen platziert werden, weil verholzte Teile die Qualität der Streue beeinträchtigen und der Arbeitsaufwand für die Landwirte enorm steigt.
6. Naturschutzfachleute stellen folgende Anforderungen an Ried-Rotationsbrachen: Keine Beeinträchtigung seltener oder gefährdeter Tier- und Pflanzenarten; Mindestgrösse zur langfristigen Erhaltung der betreffenden Zielarten; Erfüllung bestimmter Anforderungen hinsichtlich Mähmaschinen, -frequenz und -höhe; Brachestreifen dürfen die Ausbreitung von invasiven Pflanzenarten wie der Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) nicht begünstigen und nicht zwei Jahre am gleichen Ort platziert werden.
7. Die Einrichtung von Ried-Rotationsbrachen soll aufgrund von Besprechungen und Feldbegehungen der Naturschutzfachleute mit den Landwirten erfolgen, wobei der Aufwand für das gemeinsame Ausstecken der Rotationsbrachen für beide möglichst gering und unbürokratisch sein soll. Danach kann der Landwirt dank Ried-Rotationsbrachen die Streuewiesen weitgehend in eigener Regie bewirtschaften.
Keywords:
Bewirtschaftung, Interview, Landwirtschaft, Naturschutz
Art der Publikation:
Bericht
Literatur:
Zäch R., Gigon A. (2007). Streuewiesenbewirtschaftung mit Brachestreifen Beurteilung durch Landwirte und Naturschutzfachleute der Kantone Aargau, St. Gallen und Zürich. Bericht z. H. der Fachstellen Naturschutz der Kantone Aargau, St. Gallen und Zürich
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Andreas Gigon
ETH Zürich
Institut für Integrative Biologie, CHN
Universitätsstrasse 16
CH-8092 Zürich
andreas.gigon@env.ethz.ch
Tel: +41 (0)44 632 44 94
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