24.1.2007: Forschung CH

Gämsen fördern die Wiederbewaldung aufgegebener Weiden




Verena Wiemken und Thomas Boller

Auch heute, mehr als 90 Jahre seit der Gründung des Schweizer Nationalparks, sind noch Spuren der ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzung in diesem Gebiet zu erkennen. Eine Studie hat nun gezeigt, dass unter anderem der Mangel an Wurzelpilzen (Mykorrhiza) für das Ausbleiben der Bäume auf ehemaligen Weiden verantwortlich ist. Die Pilze gelangen allerdings nach und nach über den Kot von Gämsen ins Grasland.


Im Schweizer Nationalpark gibt es Flächen, die vor der Parkgründung als Weide genutzt wurden, und auf denen bis heute kein normaler Gebirgswald aufkommt, sondern nur ein savannenartiger Bestand an jungen Bergföhren. Es wurde vermutet, dass ein zu hoher Wildbestand das Aufkommen des Waldes verhindert. Forschende der Universität Basel haben nun aber die Hypothese aufgestellt, dass es an Ektomykorrhizapilzen mangeln könnte. Waldbäume leben bei uns immer in Symbiose mit mehreren Waldpilzen (hauptsächlich Basidiomyceten), welche die Bäume mit einem riesigen unterirdischen Hyphen-Netzwerk untereinander verbinden. Die Pilze beliefern die Bäume mit Mineralnährstoffen und die Bäume liefern als Gegenleistung den Pilzen Kohlehydrate.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Bäume in einer Wiese alle mykorrhiziert waren - ob nahe beim Wald oder weit draussen in der Wiese. Es konnte ein dominanter Ektomykorrhizapilz bestimmt werden, der auch Fruchtkörper bildete. Dieser Pilz (Suillus granulatus) kam im angrenzenden Wald nicht vor. Die Fruchtkörper von Suillus granulatus gruppierten sich dicht beieinander und nicht weiter als 4.5 m vom nächsten Baum entfernt.
Wer brachte die Pilze an diese Stellen? Die Forschenden vermuten, dass Gämsen die Verbreiter waren. Die Huftiere konnten als Pilzfresser beobachtet werden, und ihr Kot enthielt Pilzinokkulum. Sie spielen somit eine Rolle bei der Verbreitung des Suillus granulatus, der besonders geeignet erscheint, um auf dem mageren Boden und in Konkurrenz mit gut etablierten arbuskulären Mykorrhizapilzen zu gedeihen. Dieser «Pionierpilz» garantiert ein gewisses Aufkommen der Bergföhre in der Wiese. Doch erst, wenn die Bedingungen für weitere Pilze durch den Pionierpilz vorbereitet sind, kann sich vermutlich die nötige Pilz-Biodiversität für eine Wiederbewaldung einstellen.

Keywords:
Bergföhre, Gämsen, Mykorrhizapilz, Nationalpark, Wiederbewaldung

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Wiemken V., Boller T. (2006). Delayed succession from alpine grassland to savannah with upright pine: Limitation by ectomycorrhiza formation? Forest Ecology and Management 237, 492-502

Kontaktadresse:
Verena Wiemken
Botanisches Institut
Universität Basel
Hebelstr. 1
CH-4056 Basel
verena.wiemken@unibas.ch
Tel: +41(0)61 267 23 28


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