13.12.2006: Forschung CH

Biodiversitätsverlust auch im Berggebiet




Markus Hohl

Wie steht es um die Schmetterlings- und Heuschreckendiversität in landwirtschaftlich genutzten Graslandökosystemen des Schweizer Berggebietes? Ein Vergleich von historischen mit neu erhobenen Daten in Grindelwald (BE) und im Tujetsch (GR) hat gezeigt, dass die Artenzahlen dieser Insekten in Wiesen und Weiden immer noch sehr hoch sind. Schmetterlinge haben aber während der letzten 2 bis 3 Jahrzehnte substanzielle Verluste erlitten.


Traditionell bewirtschaftete Wiesen und Weiden in den Schweizer Alpen sind artenreiche Lebensräume für Heuschrecken und Schmetterlinge. Aufgrund der Verbrachung von Grenzertragsflächen und der Intensivierung der Bewirtschaftung in Gunstlagen nimmt dieses extensiv genutzte Grasland ab. Über die Konsequenzen der Landnutzungsänderungen auf die Heuschrecken- und Schmetterlingsfauna in den Alpen ist bis jetzt nur wenig bekannt. Ziel dieser Untersuchung war es, Veränderungen in Heuschrecken- und Schmetterlingsgemeinschaften im Kulturland des Bergebietes während der letzten 2 bis 3 Jahrzehnte anhand historischer Daten zu dokumentieren und mögliche Gründe zu ermitteln, die zu den beobachteten Veränderungen geführt haben.
Im Tujetsch (GR) konnte gezeigt werden, dass sich die Zusammensetzung der Lepidopterengemeinschaften in subalpinen Wiesen und Weiden zwischen 1977/79 und 2002/04 signifikant verändert hat. 31 Arten zeigten eine signifikante Abnahme in der Abundanz, 15 Arten eine Zunahme. Lepidopteren, die auf extensiv bewirtschaftetes Grasland angewiesen sind, erlitten Verluste. Dies lässt vermuten, dass die Bewirtschaftung des Graslands in den letzten 25 Jahren intensiviert wurde. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Abundanz subalpin-alpiner Lepidopteren zurückging und Arten aus dem Tiefland in das Tal eingewandert sind. Die vertikale Verschiebung von Arten in höhere Lagen ist möglicherweise auf die globale Klimaerwärmung zurückzuführen.
In Grindelwald (BE) konnten alle Heuschreckenarten, die zwischen 1981/83 in 20 Untersuchungsflächen gefunden wurden, 2002/03 noch nachgewiesen werden. Die Zusammensetzung der Artengarnituren in den untersuchten Wiesen und Weiden hat sich zwischen 1981/83 und 2002/03 nur geringfügig verändert. Dies gibt zur Annahme Anlass, dass sich die Bewirtschaftung des Graslands während der letzten 20 Jahre in Grindelwald kaum zum Nachteil der Heuschreckendiversität verändert hat.
Die Erhaltung einer extensiven Graslandnutzung spielt beim Schutz der Heuschrecken und Schmetterlinge im Berggebiet eine zentrale Rolle. Um weitere Verluste dieser Insekten, insbesondere von Tagfaltern, zu vermeiden, müssen ihre Lebensraumansprüche in den Bewirtschaftungsauflagen des agrarökologischen Programms des Bundes und in Naturschutzmassnahmen berücksichtigt werden. Ein Rotationsmanagement von bewirtschaftetem Grasland und kurzzeitigen Brachen sollte in Betracht gezogen werden. Zusätzlich sind grossräumige Netzwerke von extensiv genutztem Grasland zwischen den verschiedenen Höhenstufen nötig, damit sich die Arten in klimatisch günstige Lagen ausbreiten können.

Keywords:
Insekten, Grasland, Berglandwirtschaft, Klimawandel, Alpen

Art der Publikation:
Dissertation

Literatur:
Hohl M. (2006). Spatial and temporal variation of grasshopper and butterfly communities in differently managed semi-natural grasslands of the Swiss Alps. Dissertation Nr. 16624. Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich

Kontaktadresse:
FORNAT, Forschungsstelle für Naturschutz und angewandte Ökologie AG
Markus Hohl
Universitätstrasse 47
CH-8006 Zürich

markus.hohl@fornat.ch
Tel: +41 (0)43 244 99 60


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