8.11.2006: Forschung international

Rückgang der Bestäuber bedroht Vielfalt menschlicher Nahrung




Alexandra-Maria Klein et al.

Der Rückgang von Bestäuberarten gefährdet die Erträge von Kulturpflanzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten nun nachweisen, dass ohne die Bestäubung von Insekten die Vielfalt menschlicher Nahrung nicht gewährleistet ist.


Über ein Drittel aller Kulturpflanzen ist auf die Bestäubung von Insekten angewiesen. Ein internationales Forscherteam hat nun zeigen können, dass mit der Zerstörung naturnaher Lebensräume und einer Intensivierung der Landwirtschaft diesen Bestäubern zunehmend die Lebensgrundlage entzogen wird. Die Wissenschaftler haben wissenschaftliche Arbeiten zu den 115 weltweit wichtigsten Kulturpflanzen aus über 200 Ländern analysiert und konnten daraus ermitteln, welcher Anteil ihrer Erträge direkt von Bestäubern abhängt.
Bislang gab es nur grobe Schätzungen, wie viele der für die menschliche Ernährung wichtigen Kulturpflanzen von der Tierbestäubung abhängen. Nach den nun vorliegenden Forschungsergebnissen profitieren 87 der 115 untersuchten Obst-, Gemüse, Gewürz-, Öl- und Genusspflanzen von Bestäubern, zumeist Bienen und Hummeln. Dies betrifft mehr als 35 Prozent der Kulturpflanzenproduktion. Bei den meisten dieser Pflanzen führt Tierbestäubung zu Produktionssteigerungen von 5 bis 50 Prozent. Ohne die Bestäubung durch Insekten wäre die Vielfalt menschlicher Nahrung demnach nicht gewährleistet. Einige Kulturpflanzen tragen nur dann Früchte, wenn Bestäuber verfügbar sind oder der Mensch die Pflanzen per Hand bestäubt. Neben Kakao gehören dazu Annona-, Maracuja-, Kiwi- und Sapodillafrüchte, Vanille, verschiedene Kürbissorten, Wassermelonen sowie Para- und Macadamianüsse. Die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis und Mais ist dagegen nicht von Bestäubern abhängig.
Auf welche Weise sich die Zerstörung naturnaher Lebensräume und die Intensivierung der Landwirtschaft auf das Vorkommen wildlebender Bienen, Hummeln und anderer Insektenbestäuber auswirkt, konnte das Wissenschaftlerteam anhand von verschiedenen Studien zeigen: Sie wurden an neun Kulturpflanzen auf vier Kontinenten durchgeführt. Mit dem Rückgang der natürlichen Bestäuber können dabei weit reichende Folgen verbunden sein. Beim Maracuja-Anbau in Brasilien werden beispielsweise die Pflanzen per Hand durch Tagelöhner oder Familienmitglieder bestäubt, weil der Einsatz von Insektiziden und die Vernichtung des Regenwaldes die Lebensgrundlagen der grossen Holzbienen bedrohen. Viele Menschen in den brasilianischen Städten können sich diese teuer angebauten Früchte ebenso wie Gemüse nicht leisten und ernähren sich vorwiegend von billigem Zucker, Fleisch und Ölen.
Die Wissenschaftler fordern als Konsequenz ihrer Forschungsergebnisse eine naturnahe Gestaltung von Kultur- und Agrarlandschaften. Benötigt werden komplexe Kulturlandschaften. Nur auf diese Weise lassen sich die für den Menschen wichtigen «Dienstleistungen» des Ökosystems wie die Insektenbestäubung oder die biologische Schädlingskontrolle nachhaltig sichern, betonen die Wissenschaftler.

Keywords:
Ökosystemdienstleistungen, Bienen, Bestäuber, Kulturpflanzen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Klein A.-M. et al. (2006). Importance of pollinators in changing landscapes for world crops. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. DOI: 10.1098/rspb.2006.3721.
http://www.pubs.royalsoc.ac.uk/index.cfm?page=1087

Kontaktadresse:
Dr. Alexandra-Maria Klein
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Agrarwissenschaften
Department für Nutzpflanzenwissenschaften
Waldweg 26
D-37073 Göttingen
aklein2@gwdg.de
Tel: +49 (0)551 39 2257


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