20.9.2006: Forschung CH
Ohne Blumen keine Bienen
Andreas Müller et al.
Für die Erhaltung gefährdeter Wildbienenarten ist die Kenntnis ihres quantitativen Pollenbedarfs sehr wichtig. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigt, dass der Blütenbedarf der Wildbienen sehr hoch ist. Dieser hohe Blütenbedarf dürfte ein wesentlicher Faktor für den Rückgang zahlreicher Wildbienenarten in Mitteleuropa während der letzten Jahrzehnte sein.
Rund die Hälfte der etwa 600 einheimischen Wildbienenarten steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere der Schweiz. Für die Erhaltung dieser bedrohten Arten ist die Kenntnis ihres quantitativen Pollenbedarfs sehr wichtig. Untersuchungen zur Anzahl Blüten, die es braucht, um eine Brutzelle zu versorgen bzw. ein einzelnes Individuum zu produzieren, gibt es allerdings praktisch keine. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde für 41 europäische Bienenarten die minimale Anzahl Blüten bestimmt, die für die Versorgung einer Brutzelle mit Pollen notwendig ist.
85% der 41 untersuchten Arten benötigen den gesamten Pollengehalt von über 30 Blüten ihrer jeweiligen Wirtspflanze für die Versorgung einer einzelnen Brutzelle. Während der Pollen von sieben Blüten von Campanula rotundifolia ausreicht, um eine Larve der winzigen Scherenbiene Chelostoma campanularum aufzuziehen, braucht es für die Versorgung einer Brutzelle der mittelgrossen Mauerbiene Hoplitis adunca 140 Blüten von Echium vulgare. Für die Produktion eines einzelnen Individuums der grossen Mörtelbiene Megachile parietina braucht es sogar über 1’100 Blüten von Onobrychis viciifolia. Berechnet man die notwendige Anzahl Blüten für die gesamte jährliche Produktion an Nachkommen eines Bienenweibchens oder gar einer lokalen Population, wird der enorme Blütenbedarf der Wildbienen deutlich.
Die oben angegebenen Zahlen gehen von der vereinfachenden Annahme aus, dass der gesamte Pollengehalt einer Blüte von einem einzelnen Bienenweibchen abgesammelt werden kann. Die Untersuchung von fünf ausgewählten Pflanzenarten im Freiland ergab, dass einem bestimmten Weibchen jedoch nur maximal 40% des in einer Blüte enthaltenen Pollens zur Verfügung steht. Entsprechend müssen die obigen Zahlen mit einem Faktor 2.5 multipliziert werden, um eine realistische Schätzung des quantitativen Blütenbedarfs unter natürlichen Bedingungen zu erhalten.
Habitatzerstörung und intensive landwirtschaftliche Nutzung führten vielerorts zu einem starken qualitativen und quantitativen Rückgang der Blütenpflanzen. Der enorme Blütenbedarf der Wildbienen dürfte ein wesentlicher Faktor für den Rückgang zahlreicher Wildbienenarten in Mitteleuropa während der letzten Jahrzehnte sein.
Keywords:
Wildbienen, Bestäubung, quantitativer Pollenbedarf, Gefährdung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Müller A. et al. (2006). Quantitative pollen requirements of solitary bees: implications for bee conservation and the evolution of bee-flower relationships. Biological Conservation 130, 604-615.
Kontaktadresse:
Dr. Andreas Müller, Angewandte Entomologie, ETH Zürich, Schmelzbergstrasse 9/LFO, 8092 Zürich
andreas.mueller@ipw.agrl.ethz.ch
Tel: +41 (0)44 632 39 08
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