24.7.2006: Forschung CH
Vogelwelt: Bedrohtes Reduit
Britschgi A., Spaar R., Arlettaz R.
In den Gunstlagen des Alpenraums wird die Grünlandnutzung weiter intensiviert. Eine Studie hat nun gezeigt, dass dem Braunkehlchen in den Bergwiesen das Futter ausgeht. Um die Biodiversität im Alpenraum zu erhalten, müssen deshalb neue, extensivere Bewirtschaftungsmethoden entwickelt werden.
Nachdem viele insektenfressende Wiesenvögel bereits aus dem Schweizer Mittelland verschwunden sind, droht ihnen nun auch im Berggebiet das Aus. Infolge der Intensivierung der Bewirtschaftung, insbesondere durch Düngung und Bewässerung, können Landwirte immer früher mit der Mahd beginnen. Dies hat zur Folge, dass die Bestände vieler Wiesenvögel selbst in entlegenen Gebieten der Alpen rückläufig sind. Lange Zeit dachte man, dass das Ausmähen der Nester die Hauptursache für den Bestandsrückgang sei. Ein Vergleich des Bruterfolgs und der Nestlingsnahrung beim Braunkehlchen in intensiv genutzten und in traditionell bewirtschafteten Wiesen im Unterengadin hat nun aber gezeigt, dass der zu frühe Mahdzeitpunkt keineswegs die einzige Ursache für die Bestandsabnahme ist. Die Intensivierung der Graswirtschaft führt nämlich auch zu einer drastischen Verminderung der Vielfalt an Beutetieren. Zudem wiesen die Forschenden nach, dass die Biomasse der Wirbellosen (Insekten, Spinnen usw.) in intensiv genutzten Wiesen bis zu fünfmal niedriger ist als in traditionell bewirtschafteten Wiesen.
Jungvögel in intensiv genutzten Wiesen erhielten von ihren Eltern 30% weniger Nahrung als Jungvögel in extensiv genutzten Wiesen. Die Jungennahrung war in Intensivwiesen eintöniger und enthielt viele sehr kleine Beutetiere, die für die Jungenentwicklung weniger förderlich sind, als die grösseren Beutetiere, die in Extensivwiesen verfüttert wurden. Die Eltern mussten in Intensivwiesen für die Nahrungssuche jeweils weitere Strecken zurücklegen als ihre Artgenossen in Extensivwiesen. Damit einher ging auch ein geringerer Fortpflanzungserfolg in Intensivwiesen. Es wundert daher kaum, dass der Bestand der Braunkehlchen, aber auch jener anderer Wiesenbrüter, immer weiter abnimmt.
Leider konnte bisher auch die Zunahme der Bio-Betriebe die aktuelle Tendenz nicht aufhalten: Im Berggebiet unterscheiden sich die Pflichten der Bio-Bauern bezüglich Graswirtschaft kaum von jenen konventioneller Landwirtschaftsbetriebe. Vielleicht erklärt dies die starke Zunahme der Bio-Betriebe. Im Unterengadin, wo diese Studie durchgeführt wurde, sind heute 84% aller Betriebe Bio-Höfe. Die maximal tolerierte Menge an natürlichem Dünger ist auf Bio-Wiesen aber nur wenig geringer als auf intensiv bewirtschafteten Wiesen. Über den biologischen Landbau lässt sich die fortschreitende Intensivierung der Grasnutzung deshalb nicht aufhalten.
Keywords:
Braunkehlchen, Alpen, Intensivierung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Britschgi A., Spaar R., Arlettaz R. (2006). Impact of grassland farming intensification on the breeding ecology of an indicator passerine, the Whinchat Saxicola rubetra: lessons for overall Alpine meadowland management. Biological Conservation 130, 193-205.
Kontaktadresse:
Prof. Raphaël Arlettaz, Conservation Biology, Universität Bern, CH-3012 Bern
raphael.arlettaz@nat.unibe.ch
Tel: +41 (0)31 631 31 61
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