7.5.2006: Forschung CH
Pilze ohne schlechtes Gewissen sammeln?
Simon Egli et al.
In den meisten Kantonen ist das Pilzsammeln zu gewissen Zeiten verboten. Eine Langzeitstudie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in zwei Pilzreservaten hat aber gezeigt, dass das Sammeln weder auf die Anzahl der Pilze noch auf die Artenvielfalt einen Einfluss hat. Hingegen wurden auf stark betretenen Flächen rund ein Viertel weniger Pilze gezählt als auf den unberührten. Gemäss dem Vorsichtsprinzip empfehlen die Autoren der Studie, die bestehenden Sammeleinschränkungen beizubehalten.
In den meisten Schweizer Kantonen gibt es Pilzsammelvorschriften. Beispielsweise dürfen an den meisten Orten maximal zwei Kilogramm Pilze gepflückt werden. Zudem gibt es genau definierte Schonzeiten, in denen das Sammeln verboten ist.
Die Forschungsanstalt WSL startete 1975 einen Langzeitversuch. In den beiden Pilzreservaten La Chanéaz sowie Moosboden im Kanton Freiburg untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Pilzflora auf verschiedene Umwelteinflüsse reagiert und ob sich das Pilzsammeln langfristig auf die Anzahl und Artenvielfalt der Pilze auswirkt. Gleichzeitig ging man der Frage nach, ob das mit dem Sammeln verbundene Betreten von unberührten Waldböden den Pilzen schadet.
Das Ergebnis überraschte selbst Fachleute: Obwohl die Forschenden auf den Probeflächen jeweils alle Pilze pflückten, blieb deren Zahl auf den «geernteten» Flächen im Verlauf des 30-jährigen Versuchs gleich gross wie auf den nicht geernteten Vergleichsflächen. Auch bezüglich Artenvielfalt zeigte sich kein Unterschied. Die Pflückmethode (ausdrehen oder abschneiden) hatte ebenfalls keinen Einfluss auf Pilzmenge und Artenvielfalt. Ein Grund dafür könnte sein, dass von dem umliegenden Flächen weiterhin genügend Sporen in die Sammlungsflächen einwandern konnten. Hingegen zeigte die durch das Sammeln entstandene Bodenbelastung eine Wirkung: Auf den stark betretenen Flächen wurden rund ein Viertel weniger Pilze gezählt als auf den unberührten (hier wurde von Holzstegen aus gesammelt). Allerdings war dieser Effekt nur für kurze Zeit sichtbar: Sobald ein Gebiet nicht mehr betreten wurde, verschwand er; ein langfristig negativer Effekt scheint nicht vorhanden zu sein.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Anzahl und Vielfalt der Pilze nicht durch das Sammeln, sondern vor allem durch andere Faktoren beeinflusst werden – beispielsweise durch gestiegene Stickstoffeinträge, veränderte Standortverhältnisse oder forstliche Eingriffe. Und ob es ein gutes oder schlechtes Pilzjahr gibt, bestimmt hauptsächlich das Wetter.
Trotzdem empfehlen die Autoren der Studie, die bestehenden Sammeleinschränkungen beizubehalten. Denn Pilze erfüllen in der Natur sehr wichtige Funktionen; die Sammelvorschriften fördern das Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit einer natürlichen Ressource des Waldes. Zudem helfen sie, den zunehmenden Störungsdruck, der inzwischen viele empfindliche Tierarten massiv beeinträchtigt, in Grenzen zu halten.
Keywords:
Pilzsammeln, Bodenbelastung, Pilzschutz, Artenvielfalt, Fruchtkörperproduktion
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Egli S. et al. (2006). Mushroom picking does not impair future harvests results of a long-term study in Switzerland. Biological Conservation 129, 271-276.
http://www.pilzreservat.ch
Publikation als pdf (188 kB)
Kontaktadresse:
Dr. Simon Egli, Eidg. Forschungsanstalt WSL, CH-8903 Birmensdorf, Schweiz
simon.egli@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 739 22 71
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