12.1.2006: Forschung CH

Droht eine weitere Invasion?




Dirk Babendreier

In vielen Gebieten Europas breitet sich der aus Gewächshäusern entkommene asiatische Marienkäfer auf Kosten der einheimischen Marienkäferfauna explosionsartig aus. Wissenschaftler haben nun ein Überwachungsprogramm gestartet, welches die Ankunft der Art in der Schweiz so früh wie möglich dokumentieren soll.


(gk) Um den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu reduzieren, wurde in Amerika ab den 1960er Jahren der gefrässige und leicht zu züchtende asiatische Marienkäfer im grossen Stil ausgesetzt. Er sollte allfällige Schadinsekten auf natürliche Art und Weise vertilgen. Doch die Geister, die man rief, wird man nun nicht wieder los: Ende der achtziger Jahre etablierte sich der asiatische Marienkäfer in den USA in freier Wildbahn. Dort macht er sich aber seither nicht nur über die Blattläuse her, sondern vergreift sich auch an Schmetterlingseiern und den Gelegen einheimischer Marienkäferarten. Heute kommt der konkurrenzstarke Käfer in fast allen amerikanischen Gliedstaaten in zum Teil beachtlicher Dichte vor. Er mischt dort nicht nur die einheimische Marienkäferfauna auf, sondern entwickelt sich auch zu einem ernsten Problem für die Weinbauern. Die Käfer, die sich im Herbst zwischen den reifen Trauben sammeln und mitgeerntet werden, können zu starken Geschmacksbeeinträchtigungen führen.
Auch in Europa wurde die Art in einigen Ländern bis vor kurzem kommerziell vertrieben. Vor allem in Gewächshäusern leistete sie nützliche Dienste. Doch dem asiatischen Marienkäfer gelang die Flucht in die freie Natur, wo er sich in den letzten Jahren in mehreren Gebieten Frankreichs, Belgiens, der Niederlande und Deutschlands explosionsartig ausgebreitet hat. In manchen Gegenden ist der Käfer bereits häufiger als die einheimischen Marienkäferarten; von der Schweizer Grenze ist er mittlerweile nur noch 100 Kilometer entfernt.
Dirk Babendreier von der Gruppe Biosicherheit der Agroscope FAL Reckenholz bei Zürich hat deshalb im vergangenen Frühjahr beschlossen, entlang der Grenze zu Deutschland die Insektenfauna mit Schmetterlingsnetzen systematisch zu erfassen sowie in regelmässigen Abständen Lichtfallen aufzubauen, um die erwartete Ankunft des Exoten dokumentieren zu können. Für letztes Jahr kann der Wissenschaftler allerdings Entwarnung geben. Kein einziger asiatischer Marienkäfer ging in eine Falle. Dafür fand Babendreier unzählige einheimische Marienkäfer, die zu insgesamt 20 verschiedenen Arten gehören. Da die Marienkäferfauna in der Schweiz noch nicht abschliessend untersucht worden sei, könnten diese Funde als zusätzliche Referenzdaten verwendet werden, um später mögliche Auswirkungen des Einwanderers aus Asien zu beurteilen, erklärt Babendreier.
Die Geschichte des asiatischen Marienkäfers zeigt, wie andere Beispiele vorher auch schon, dass eingeführte exotische Helfer nicht nur nützlich sein, sondern auch negative Auswirkungen haben können. Mit dem Käfer sei eine Art freigesetzt worden, die ein viel zu breites Nahrungsspektrum aufweise, sagt Babendreier. Solche Arten dürften nur nach intensiven Abklärungen über die möglichen Risiken freigesetzt werden.

Keywords:
Invasive Arten, biologische Schädlingsbekämpfung


http://www.reckenholz.ch

Kontaktadresse:
Dr. Dirk Babendreier, Agroscope FAL Reckenholz, Reckenholzstr. 191, CH-8046 Zürich

dirk.babendreier@fal.admin.ch
Tel: +41 (0)44 377 72 17


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