23.9.2025: Forschung CH

Artenschwund in Feuchtgebieten mit weitreichenden Folgen

Graves conséquences dues à la disparition des espèces des biotopes humides



Merin R. Chacko et al.

Häufig vorkommende Arten stabilisieren Nahrungsnetze. Ihr Verschwinden löst besonders viele Folgeverluste aus. Vor allem der Verlust von Arten aus Feuchtgebieten führt rasch zum Zusammenbruch der Netze, und zwar im Wasser als auch an Land. Der Schutz der Biodiversität muss daher viel umfassender gedacht werden als bisher – über Art- und Lebensraumgrenzen hinweg.

Les espèces courantes stabilisent les réseaux trophiques. Leur disparition entraîne de nombreuses pertes en cascade. En particulier, la disparition d’espèces dans des biotopes humides provoque rapidement l’effondrement de réseaux, tant dans l’eau que sur terre. La protection de la biodiversité doit donc être envisagée de manière nettement plus globale qu’auparavant, au-delà des limites des espèces et des habitats.


Ein internationales Team von Forschenden hat die Auswirkungen verschiedener Aussterbeszenarien auf regionale Nahrungsnetze in der Schweiz modelliert. Dazu erstellten sie ein «Metaweb» – ein komplexes Netzwerk mit über 280'000 Fressbeziehungen zwischen rund 7800 Arten von Pflanzen, Wirbeltieren und Wirbellosen. Auf Basis dieser Daten simulierten die Forschenden dann den Verlust von Arten aus verschiedenen Lebensraumtypen.
Es zeigte sich, dass regionale Nahrungsnetze ziemlich schnell zusammenbrechen, wenn häufig vorkommende Arten in Schlüssellebensräumen wie Feuchtgebieten verloren gehen. Obwohl Arten der Feuchtgebiete nur rund 30 % aller erfassten Arten ausmachen, sind sie für fast 70 % aller Verbindungen in Nahrungsnetzen der Schweiz verantwortlich. Ihr Verlust führt deshalb schneller zum Zusammenbruch der Nahrungsnetze, als wenn andere Arten aussterben.
Die Forschenden erklären sich diesen Befund damit, dass Arten aus Feuchtgebieten öfter in mehreren Lebensräumen unterwegs sind und so an verschiedenen Orten zum Funktionieren der Ökosysteme beitragen, z. B. Libellen, die als Larven im Wasser leben und als adulte Tiere an Land. Auch zeigte sich, dass die häufigen Arten vor allem aufgrund ihrer Biomasse den grössten Einfluss auf die Stabilität der regionalen Nahrungsnetze haben.
Schutzmassnahmen sollten sich daher nicht nur auf die seltenen Arten konzentrieren, sondern verstärkt auch auf häufige Arten, die Schlüsselrollen in Ökosystemen einnehmen. Das bedeute jedoch nicht, dass die selteneren Arten vernachlässigt werden könnten, da sie auf lokaler Ebene ein Sicherheitsnetz bildeten, das zum Einsatz kommt, wenn eine der häufigeren Arten verschwinden sollte. Die Forschenden plädieren dafür, Schutzstrategien künftig stärker über Art- und Lebensraumgrenzen hinweg zu denken, um die Biodiversität langfristig zu erhalten.

Quelle: WSL


Keywords:
Häufige Arten, Nahrungsnetze, Feuchtgebiete, blau-grüne Biodiversität

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Chacko MR, Albouy C, Altermatt F, Boussange V, Brändle M, Farwig N, Gossner MM, Ho H-C, Joss A, Neff F, Pellissier L (2025) Species loss in key habitats accelerates regional food web disruption. Communications Biology 8: 988.

Zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Loïc Pellissier
ETH Zürich
Ökosysteme und Landschaftsevolution
CH-8092 Zürich

loic.pellissier@usys.ethz.ch
Tel: +41 (0)44 632 32 03


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