19.8.2025: Forschung CH
Nicht-einheimische Flussschnecke hybridisiert mit bedrohter einheimischer Art im Rhein
Des escargots d’eau douce non indigènes s’hybrident avec une espèce indigène menacée du Rhin
Hans-Peter Rusterholz, Bruno Baur
Eine innerartliche kryptische Invasion beschreibt die Verbreitung und Etablierung nicht-einheimischer genetischer Formen einer Tier- oder Pflanzenart innerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets der Art. Gebietsfremde Individuen können einheimische Individuen derselben Art verdrängen oder sich mit ihnen vermischen (hybridisieren). Ein Beispiel ist die Gemeine Kahnschnecke: Schnecken dieser Art aus dem Schwarzen und Kaspischen Meer haben sich mit den einheimischen Schnecken im Hochrhein gekreuzt. Dadurch geht ein Teil der genetischen Vielfalt verloren.
Une invasion cryptique intraspécifique désigne la propagation et l’établissement de formes génétiques non indigènes d’une espèce animale ou végétale au sein de l’aire de répartition naturelle de cette espèce. Les individus exotiques peuvent évincer les individus indigènes de la même espèce ou se croiser avec eux (hybridation). La Nérite des rivières en est un exemple : les escargots de cette espèce originaires de la mer Noire et de la mer Caspienne se sont croisés avec les escargots indigènes du Haut-Rhin. Cela entraîne la perte d’une partie de la diversité génétique.
Die Einführung gebietsfremder Arten durch den Menschen hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Biodiversität und Funktion vieler Ökosysteme. Vor allem Süsswasserökosysteme sind anfällig für die Invasion gebietsfremder Arten, da sie vielfältigen anthropogenen Einflüssen ausgesetzt sind. Nicht alle eindringenden gebietsfremden Arten lassen sich leicht von einheimischen Arten unterscheiden. In diesen Fällen wird von kryptischen Invasionen gesprochen. Bei der innerartlichen kryptischen Invasion verbreitet sich eine nicht-einheimische genetischen Form der Art in einer Region, in der bereits eine spezifische einheimische Form derselben Art existiert.
Die Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus fluviatilis) ist in europäischen Flüssen und Seen weit verbreitet und kommt von Westrussland bis zur Iberischen Halbinsel und von Skandinavien bis zum Balkan vor. Dabei weist die Schnecke für jedes abgegrenzte Wassereinzugsgebiet eine charakteristische genetische Form auf. In der Schweiz kommt die Gemeine Kahnschnecke natürlicherweise nur im Hochrhein zwischen Rheinfelden und Basel vor. In der Roten Liste der Mollusken ist sie als «vom Aussterben bedroht» aufgeführt.
Im Jahre 2020 wurde im Rhein bei Basel jedoch ein massenhaftes Vorkommen der Gemeinen Kahnschnecke beobachtet. Die Schnecken sahen sehr ähnlich aus wie die einheimischen Kahnschnecken. Eine molekular-genetische Analyse zeigte aber, dass die Häufigkeit der Schnecken auf die rasche Ausbreitung von zwei nicht-einheimischen genetischen Formen zurückzuführen ist, die durch die internationale Schifffahrt eingeführt worden sind. Die nicht-einheimischen Typen sind besser an wärmere Wassertemperaturen angepasst, stellen gleichzeitig aber auch einen Wirt für Parasiten dar, die bisher im Rhein nicht vorkamen.
Eine weitere molekular-genetische Analyse zeigte nun, dass Individuen der nicht-einheimischen Typen kurz nach deren Invasion mit Individuen des einheimischen Typs hybridisierten. Hybriden traten in sieben der elf untersuchten Populationen auf. Dies deutet darauf hin, dass ein langfristiges Fortbestehen des einheimischen Typs der Gemeinen Kahnschnecke im Hochrhein unwahrscheinlich ist. Dadurch wird die genetische Vielfalt innerhalb dieser Schneckenart stark reduziert.
Quelle: Universität Basel
Keywords:
Gemeine Kahnschnecke, Gewässer, gebietsfremde Arten, innerartliche kryptische Invasion, Hybridisierung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Rusterholz H.-P., Baur B. (2025) Cryptic invasion and intraspecific hybridisation in the freshwater snail Theodoxus fluviatilis in the river Rhine. Limnologica 112: 126247.
Link zur Studie
Kontaktadresse:
Bruno Baur
Universität Basel
Departement Umweltwissenschaften
Bernoullistrasse 32
CH-4056 Basel
bruno.baur@unibas.ch
Zurück zur Liste