19.8.2025: Forschung international

Das Naturschutzdilemma mit gebietsfremden, aber im Ursprungsgebiet gefährdeten Pflanzenarten

Le dilemme de la conservation de la nature concernant des espèces végétales exotiques, mais menacées dans leur aire d’origine



Ingmar R. Staude, Matthias Grenié, Chris D. Thomas, Ingolf Kühn, Zizka Alexander, Golivets Marina, Sophie E.H. Ledger, Laura Méndez

Mehr als ein Viertel der Pflanzenarten, die sich mit Hilfe des Menschen ausserhalb ihres Ursprungsgebietes erfolgreich ansiedeln, sind in Teilen ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets bedroht. Nicht heimische Populationen können damit in bestimmten Fällen eine wichtige Rolle beim Erhalt gefährdeter Arten spielen. Die klare Trennung zwischen einheimisch und nicht-einheimisch wird im Zuge des globalen Biodiversitätswandels und Arealverschiebungen zunehmend schwierig. Für den Naturschutz ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Chancen und Risiken gebietsfremder Arten differenziert zu bewerten.

Plus qu’un quart des espèces végétales qui s’implantent avec succès en-dehors de leur aire d’origine grâce à l’intervention humaine, sont menacées dans certaines parties de leur aire de répartition d’origine. Dans certains cas, des populations non indigènes peuvent ainsi jouer un rôle important dans la conservation d’espèces menacées. La séparation stricte entre indigène et non indigène devient de plus en plus difficile en raison de l’évolution mondiale de la biodiversité et du glissement des aires de répartition. Pour la conservation de la nature, il est donc nécessaire d’évaluer les risques et les opportunités posés par les espèces exotiques.


Mehr als ein Viertel der Pflanzenarten, die sich ausserhalb ihres Ursprungsgebietes erfolgreich ansiedeln, gelten in Teilen ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets als bedroht. Dies stellt eine bisher wenig beachtete Herausforderung für den Naturschutz dar: Der Schutz nicht heimischer Populationen könnte unter bestimmten Umständen eine Rolle beim Erhalt bedrohter Arten spielen.

Traditionell werden Pflanzen, die sich ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets etablieren, vor allem unter dem Aspekt möglicher ökologischer Schäden (invasive gebietsfremde Arten) bewertet. Die neue globale Analyse verknüpft erstmals Rote Listen aus 103 Ländern mit der Datenbank zur weltweiten Verbreitung eingebürgerter Pflanzen (GloNAF) und verdeutlicht: Viele Arten, die in neuen Regionen erfolgreich Fuss gefasst haben, sind im Ursprungsgebiet am Zurückgehen. In diesen Fällen kann die nicht heimische Population unter Umständen einen Rückhalt für das Überleben der Art darstellen. Ein besonders drastisches Beispiel ist Agave vera-cruz, die in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet als ausgestorben gilt, jedoch in mehreren Regionen ausserhalb davon in stabilen Populationen weiterlebt.

Die Ergebnisse unterstreichen die komplexe Dynamik in Zeiten von Arealverschiebungen im Zuge globaler Veränderungen wie Klima- und Landnutzungswandel. Ein pauschales Festhalten an der Unterscheidung zwischen einheimisch und nicht-einheimisch greift laut Studie oft zu kurz. Stattdessen wird ein differenzierter Ansatz gefordert, der sowohl ökologische Risiken (z. B. das Invasionspotenzial) als auch die Gefährdung abwägt.

Die Studie liefert einen wichtigen Impuls für zukünftige Bewertungsansätze im Naturschutz. Sie zeigt, dass in einer sich wandelnden Welt auch der Schutz biologischer Vielfalt flexible Denkansätze braucht.

Quelle: iDiv.de

Keywords:
Gefährdung, Ex-situ, gebietsfremde Arten, Invasion, Pflanzen, Arealverschiebungen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Staude I.R., Grenié M., Thomas C.D., Kühn I., Zizka A., Golivets M., Ledger S.E.H., Méndez L. (2025): Many non-native plant species are threatened in parts of their native range, New Phytologist.


Link zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Ingmar Staude
Leipzig University
Institute of Biology
German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
D-04103 Leipzig
ingmar.staude@uni-leipzig.de


Zurück zur Liste