6.5.2025: Forschung CH
Die Biotransformationsaktivität nutzen, um den Grad der Vergiftung hervorzusagen
Utiliser l’activité de biotransformation pour déterminer le degré de contamination
Marco E. Franco, Juliane Hollender und Kristin Schirmer
Jedes Jahr gelangen Zehntausende von Chemikalien auf den Markt – und letztlich in die Umwelt. Während die meisten dieser Verbindungen vor der Zulassung anhand bestimmter Prüfkriterien beurteilt werden, bleiben ihre Auswirkungen auf die Biodiversität schwer vorhersagbar. Fischarten unterscheiden sich beispielsweise deutlich in ihrer Fähigkeit, Schadstoffe zu entgiften – Arten mit geringer Biotransformationsaktivität sind dadurch chemischem Stress stärker ausgesetzt und in menschlich beeinflussten Gewässern langfristig im Nachteil, was die Artenzusammensetzung verändern kann.
Chaque année, des dizaines de milliers de produits chimiques sont mis sur le marché, et finissent par se retrouver finalement dans l’environnement. Alors que la plupart de ces composés sont évalués avant leur homologation selon des critères précis de tests, leurs effets sur la biodiversité restent difficiles à prévoir. Les espèces de poissons diffèrent par exemple considérablement dans leur capacité à détoxifier les substances polluantes. Les espèces avec une faible activité de biotransformation sont donc plus exposées au stress chimique et sont désavantagées à long terme dans les eaux influencées par l’homme, ce qui peut modifier la composition des espèces.
Weltweit sind Schätzungen zufolge zwischen 40 000 und 60 000 chemische Substanzen im Umlauf. Jedes Jahr gelangen enorme Mengen davon als Arzneimittel, Reinigungsmittel, Pestizide und Bestandteil anderer Produkte in Ökosysteme. Es ist deshalb entscheidend, die Umweltwirkung einer Substanz vor deren Marktzulassung zu bewerten. Es ist jedoch schwierig, die langfristigen Auswirkungen chemischer Verschmutzung auf die Umwelt vorherzusagen, insbesondere welche Tier- und Pflanzenarten am meisten von der jeweiligen Chemikalie gefährdet sind.
Forschende haben nun einen neuen Ansatz verfolgt, um solche Vorhersagen zu verbessern. Dazu untersuchten sie, wie verschiedene Fischarten Chemikalien auf natürliche Weise abbauen und ausscheiden. Unterschiede würden Hinweise darauf geben, welche Arten in verschmutzten Umgebungen am ehesten überleben können.
Das Team untersuchte zelluläre Mechanismen von fünf Fischarten aus verschiedenen Regionen im Verlauf der Aare. Die Fischarten besitzen dieselbe molekulare Ausrüstung zum Chemikalienabbau. Doch die Forschenden entdeckten erhebliche Unterschiede darin, wie effizient die Arten diese nutzen. Die höchste Aktivität fanden sie beim Sonnenbarsch (Lepomis gibbosus), ein invasiver Fisch in Schweizer Flüssen. Den Forschenden zufolge verschafft eine bessere Fähigkeit, mit potenziell giftigen Verbindungen umzugehen, invasiven Arten einen Vorteil.
Je nachdem, aus welcher Region die Fische stammten, konnten sie besser mit der Umweltbelastung umgehen. Individuen aus landwirtschaftlich stark genutzten Zonen oder solchen mit Industrien, die generell mehr verschmutzt sind, zeigten zwei bis elf Mal mehr chemische Abbauaktivität als solche aus weniger belasteten Gebieten. Das deutet darauf hin, dass die Schadstoffbelastung die Biotransformationsaktivität der Tiere erhöhen kann. Und es bedeutet auch, dass diejenigen mit einer natürlich niedrigen Aktivität stärkerem Stress ausgesetzt sind, weil sich Chemikalien stärker ansammeln und die Tiere mehr Energie aufwenden müssten, um sie zu verarbeiten.
Den Forschenden zufolge eröffnen die Studienergebnisse Möglichkeiten über den Naturschutz hinaus, beispielsweise um die Risikobewertung neuer Chemikalien im Zulassungsprozess zu verbessern. Sicherheitsüberlegungen stützen sich derzeit stark auf die Daten von Labortieren, doch diese widerspiegeln nicht unbedingt die Sensitivität von Wildtieren. Durch die Messung der Biotransformationsaktivität einer Wildtierart und den Vergleich mit Modelldaten sei es möglich zu bestimmen, ob eine Chemikalie für Tiere in ihrer natürlichen Umgebung schädlich ist.
Quelle: Eawag
Keywords:
Chemikalien, Umweltverschmutzung, Gewässer, Fische, Schadstoffbelastung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Franco M.E., Hollender J., Schirmer K. (2025): Differential biotransformation ability may alter fish biodiversity in polluted waters. Environment International 195. doi.org/10.1016/j.envint.2025.109254
Zur Studie (freier Zugang)
Kontaktadresse:
Kristin Schirmer
Eawag
Abteilung Umwelttoxikologie
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf
kristin.schirmer@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 52 66
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