1.10.2024: Forschung international

Genetische Vielfalt und Aussterberisiko: Demografische Faktoren einbeziehen

Diversité génétique et risque d’extinction : intégrer des facteurs démographiques



Michelle F. DiLeo et al.

Genetische Vielfalt kann das Aussterberisiko von Populationen zuverlässig anzeigen, wenn auch Trends bei der Populationsgrösse und die Vernetzung der Populationen mitberücksichtigt werden.

La diversité génétique peut indiquer de manière fiable le risque d’extinction des populations si des tendances concernant la taille des populations et la mise en réseau des populations sont prises en compte.


Wenn Arten zunehmenden Umweltbelastungen ausgesetzt sind, werden ihre Populationen häufig kleiner, was zu einem Verlust an genetischer Vielfalt führt. Diese Verringerung der genetischen Vielfalt kann schwerwiegende Folgen haben (z. B. Inzucht). Die genetische Vielfalt wird deshalb häufig als Indikator für die Anfälligkeit von Arten für das Aussterben verwendet. Allerdings ist es nicht immer so, dass die genetische Vielfalt die Überlebenswahrscheinlichkeit von Populationen vorhersagt.
Im Rahmen der seit 30 Jahren detailliert untersuchten Populationen des Wegerich-Scheckenfalters (Melitaea cinxia) auf den Åland-Inseln im Südwesten Finnlands haben Forschende untersucht, unter welchen Umständen die genetische Vielfalt das Aussterberisiko vorhersagen kann. Während sechs Jahren wurden genetische Daten von 7501 Individuen sowie Daten zur Entwicklung von 279 Populationen erhoben und analysiert. Dies ermöglichte es den Forschenden, die Auswirkungen der genetischen Vielfalt auf die Aussterberaten unter verschiedenen Bedingungen zu bewerten, beispielsweise zwischen kleinen und grossen Populationen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die genetische Vielfalt tatsächlich mit dem Aussterberisiko zusammenhängt, die Stärke dieser Beziehung jedoch von anderen demografischen Faktoren wie der Populationsgrösse, dem Potenzial zur Ein- und Auswanderung und Populationstrends abhängt.
Die Forschenden weisen darauf hin, dass man sich bei der Bewertung der Überlebensfähigkeit von Populationen nicht ausschliesslich auf genetische Daten verlassen sollte. Zum Beispiel wurde ein starker negativer Zusammenhang zwischen genetischer Vielfalt und Aussterberisiko beobachtet, aber diese Korrelation wurde weitgehend von der zugrunde liegenden Populationsgrösse bestimmt. Auch kleine Populationen mit geringer genetischer Vielfalt konnten sich über die Studienlaufzeit halten, da sie von der Einwanderung aus anderen Populationen profitiert haben. Ohne Berücksichtigung von solchen demografischen Faktoren können also irreführende Schlussfolgerungen gezogen werden.
Um die Gefährdung besser abzuschätzen und Erhaltungsmassnahmen besser zu planen, empfehlen die Forschenden sich auf drei Schlüsselinformationen abzustützen: Schätzungen der genetischen Vielfalt, Trends bei der Populationsgrösse und das Potenzial für Ein- und Auswanderung. Die Daten unterstreichen, wie wichtig es ist, die Konnektivität zwischen den Populationen aufrechtzuerhalten, um die mit einer geringen genetischen Vielfalt verbundenen Risiken angesichts von Umweltveränderungen zu mindern.

Quelle: University of Helsinki

Keywords:
Aussterberisiko, Populationsgenetik, Trends, Tagfalter

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
DiLeo M.F. et al. (2024): Demography and environment modulate the effects of genetic diversity on extinction risk in a butterfly metapopulation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 121(33). e2309455121.


Link zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Marjo Saastamoinen
Research Centre for Ecological Change (REC)
FIN-00014 University of Helsinki
marjo.saastamoinen@helsinki.fi


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