13.12.2023: Forschung international

Natur in der Literatur: Welchen Einfluss haben die Lebensumstände der Autor:innen?

Nature dans la littérature : quelle est l’influence des conditions de vie des auteurs ?



Lars Langer et al.

Wie intensiv Flora und Fauna in einem literarischen Werk thematisiert werden, hängt damit zusammen, wer es unter welchen Lebensumständen verfasst hat. Beispielsweise verwenden Autorinnen mehr Artnamen in ihren Texten als ihre männlichen Kollegen.

L’intensité avec laquelle la faune et la flore sont abordées dans une œuvre littéraire dépend de la personne qui l’a rédigée et des conditions dans lesquelles elle a vécu. Par exemple, les femmes auteurs utilisent plus de noms d’espèces dans leurs textes que leurs collègues masculins.


Dass biologische Vielfalt in der westlich geprägten Literatur seit den 1830er Jahren kontinuierlich abnimmt, wurde bereits vor rund zwei Jahren in einer Studie nachgewiesen (IBS berichtete am 03. November 2021 darüber). Jetzt veröffentlichten die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Folgestudie. Darin legen sie dar, inwieweit Faktoren wie Geschlecht, Wohnort oder Alter des Autors oder der Autorin Einfluss darauf nehmen, welcher Stellenwert in ihren Werken der Natur zukommt.
Für die Analyse nutzten die Forschenden erneut den Literaturbestand des Projekts Gutenberg. Die darin enthaltenen Werke – vorrangig aus der westlichen Literatur – verknüpften sie mit biografischen Informationen über die Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Letztendlich konnten so 13‘493 Werke aus den Jahren 1705 bis 1969 von 2847 Autorinnen und Autoren mit Methoden des sogenannten Maschinellen Lernens analysiert werden.
In der Studie von 2021 hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits Kennzahlen entwickelt, die die Biodiversität in literarischen Werken messbar machen: Sie ermittelten beispielsweise für jedes Werk die Anzahl der Begriffe, die Tiere oder Pflanzen benennen, oder errechneten die Vielfalt des Wortschatzes, mit dem Lebewesen beschrieben werden. Jetzt setzten sie diese Werte mithilfe eines Algorithmus mit den biografischen Informationen über die Autor:innen in Beziehung.
Sie stellten fest, dass von Frauen verfasste Werke über alle untersuchten Epochen hinweg durchschnittlich mehr Biodiversität enthalten als die von Männern. Auch Herkunft und Wohnort spielen eine Rolle: So fanden die Forschenden in den Werken nordamerikanischer Autorinnen und Autoren mehr Naturdarstellungen als in Werken aus Europa. Zudem bildeten Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus kleineren Orten in ihren Werken durchschnittlich mehr biologische Vielfalt ab als jene aus grösseren Städten.
Beim Alter zeigte sich ein gemischtes Bild: Junge Autorinnen und Autoren unter 25 Jahren sowie ältere über 70 Jahren schrieben im Durchschnitt häufiger über Pflanzen und Tiere als Autorinnen und Autoren mittleren Alters. Ob die schreibende Person Kinder hatte, nahm hingegen laut der Erhebung keinen Einfluss auf die Darstellung von Biodiversität in ihren Werken.
Die Forschenden haben zahlreiche weitere Aspekte in die Analyse mit einbezogen, beispielsweise den Bildungsstand, das literarische Genre oder die Intention der Werke. Zu der Frage, wieso die Lebensumstände der Autorinnen und Autoren sich auf die Darstellung von Biodiversität in ihren Werken auswirken, liefert die Studie keine direkten Antworten.

Quelle: idiv.de


Keywords:
Naturbeziehung, Literatur, Projekt Gutenberg, westliche Belletristik

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Langer L., Burghardt M., Borgards R., Richter R., Wirth C. (2023): The relation between biodiversity in literature and social and spatial situation of authors: Reflections on the nature–culture entanglement. People and Nature. https://doi.org/10.1002/pan3.10551

Link zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Lars Langer
Department of Systematic Botany and Functional Biodiversity
Universität Leipzig
D-04109 Leipzig

lars.langer@uni-leipzig.de


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