30.10.2023: Forschung international

Globale Artenvielfalt: Nur wenige Arten sind sehr selten oder sehr häufig

Biodiversité mondiale : seules quelques espèces très rares ou très communes



Corey Callaghan et al.

Über 100 Jahre Naturbeobachtungen haben ein potenziell universelles Muster der Artenhäufigkeit enthüllt: Die meisten Tier- und Pflanzenarten sind selten, aber nicht sehr selten, und nur wenige Arten sind sehr häufig. Diese sogenannte «globale Artenhäufigkeitsverteilung» ist für intensiv untersuchte Artengruppen wie die Vögel mittlerweile sehr detailliert beschrieben.

Plus de 100 ans d’observations de la nature ont révélé un modèle potentiellement universel de fréquence des espèces : la plupart des espèces animales et végétales sont rares, mais pas très rares, et seules quelques espèces sont très communes. Cette « distribution mondiale de la fréquence des espèces » est aujourd’hui décrite de manière très détaillée pour des groupes d’espèces fortement étudiés comme les oiseaux.


«Wer kann erklären, warum eine Art weit verbreitet und sehr häufig ist und warum eine andere, verwandte Art nur eine geringe Verbreitung hat und selten ist?» Diese Frage stellte Charles Darwin vor über 150 Jahren in seinem bahnbrechenden Buch «The Origin of Species». Eng verknüpft ist die Frage, wie viele Arten häufig und wie viele selten sind – die sogenannte globale Artenhäufigkeitsverteilung.
Wissenschaftler haben dazu im vergangenen Jahrhundert zwei bedeutende Modelle vorgeschlagen: Laut dem Modell von R. A. Fisher, einem Statistiker und Biologen, sind sehr seltene Arten (solche mit wenigen Individuen) am häufigsten. F. W. Preston, ein Ingenieur und Ökologe, meinte dagegen, dass nur wenige Arten sehr selten sind und die meisten Arten eine mittlere Häufigkeit (an Individuen) aufweisen. Trotz jahrzehntelanger Forschung wusste man bis heute nicht, welches Modell die globale Artenhäufigkeit am zutreffendsten beschreibt. Klar war, dass sich dieses Problem nur mit sehr sehr vielen Daten lösen lässt.
Forscher haben nun die «Global Biodiversity Information Facility» (GBIF) mit über einer Milliarde Artenbeobachtungen zwischen 1900 und 2019 genutzt, um die Modelle zu testen. Die GBIF-Datenbank ist eine wichtige Ressource für verschiedenste Fragen der Biodiversitätsforschung, vor allem deshalb, weil sie Daten aus der professionellen Forschung mit Daten von Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus der ganzen Welt zusammenführt. Die Forscher unterteilten die Daten in 39 Artengruppen, z. B. Vögel, Insekten oder Säugetiere. Für jede dieser Gruppen erstellten sie die globale Artenhäufigkeitsverteilung.
Es zeigte sich ein potenziell universelles Muster: Die meisten Tier- und Pflanzenarten sind eher selten, aber nicht sehr selten, und nur wenige Arten sind sehr häufig – ähnlich wie es Prestons Modell vorhersagt. Die Forscher heben allerdings auch hervor, dass dieses Muster erst für wenige Artengruppen wie Vögel oder Palmfarne vollständig enthüllt worden ist. Für alle anderen Artengruppen sind die Daten noch zu unvollständig.
Wenn man nicht genügend Daten hat, sieht es so aus, als ob die meisten Arten sehr selten sind, so die Wissenschaftler. Aber wenn neue Beobachtungen hinzukommen, ändert sich das Bild. Dann sieht man, dass es tatsächlich mehr seltene als sehr seltene Arten gibt.
Die Forscher glauben, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen könnten, Darwins Frage zu beantworten, warum manche Arten selten und andere häufig sind. Das von ihnen teilweise enthüllte, möglicherweise universelle Muster könnte auf grundlegende Mechanismen hinweisen, welche die unterschiedlichen Artenhäufigkeiten erklären. Während weiter geforscht wird, verändert unser Handeln die Häufigkeit von Arten. Dies erschwert die Aufgabe der Forschenden Sie müssen nicht nur verstehen, wie sich Artenhäufigkeiten natürlicherweise entwickeln, sondern auch wie sie gleichzeitig vom Menschen verändert werden.

Quelle: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig


Keywords:
Artenvielfalt, globale Artenhäufigkeitsverteilung, Darwin, GBIF

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Callaghan C.T., Borda-de-Água L., van Klink R., Rozzi R., Pereira H. M. (2023): Unveiling the global species abundance distributions of Eukaryotes. Nature Ecology and Evolution. DOI: 10.1038/s41559-023-02173-y

Link zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Henrique Miguel Pereira
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Puschstrasse 4
D-04103 Leipzig

henrique.pereira@idiv.de


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