26.9.2023: Forschung CH
Erholung der europäischen Süsswasserbiodiversität stagniert
Stagnation du rétablissement de la biodiversité dans les eaux douces européennes
Peter Haase et al.
In europäischen Binnengewässern hat sich die Artenvielfalt von wirbellosen Tieren in den letzten 50 Jahren deutlich erholt. Allerdings kann seit 2010 keine Verbesserung mehr registriert werden. Die bisherigen Massnahmen zur Erhöhung der Wasserqualität und zur Renaturierung von Gewässern sind nicht ausreichend, um eine hohe Biodiversität zu gewährleisten.
Dans les eaux intérieures européennes, la diversité des espèces d’invertébrées s’est notablement redressée ces 50 dernières années. Cependant, aucune amélioration n’a été enregistrée depuis 2010. Les mesures prises jusqu’à présent pour améliorer la qualité des eaux et renaturer les milieux aquatiques ne sont pas suffisantes pour garantir une biodiversité élevée.
(DHu) In den 1960er Jahren waren viele Gewässer in Europa in einem schlechten Zustand. Wie haben sie sich seither entwickelt? Forschende haben dazu Daten zur wirbellosen Süsswasserfauna aus 22 europäischen Ländern ausgewertet, die zwischen 1968 und 2020 in Flusssystemen gesammelt wurden. Wirbellose Tiere tragen zu wichtigen Ökosystemprozessen in Süssgewässern bei. Sie zersetzen organische Stoffe, filtern Wasser und transportieren Nährstoffe zwischen aquatischen und terrestrischen Bereichen. Ausserdem werden sie seit langem als Bioindikatoren genutzt.
Die Auswertungen zeigen, dass die Artenvielfalt, die funktionelle Diversität und die Häufigkeit der Arten in den letzten 50 Jahren deutlich angestiegen sind. Dieser Zuwachs trat jedoch hauptsächlich vor 2010 auf. Seither hat sich die Entwicklung auf einem mehr oder weniger gleichbleibenden Niveau eingependelt. So hat sich die Situation zwar verbessert, aber die dokumentierten Verbesserungen stellen nur eine teilweise Erhohlung dar. Besonders Arten frei fliessender Flüsse sind nach wie vor in ihrer Ausbreitung und Bestandsgrösse limitiert.
Die Forscher:innen gehen davon aus, dass Massnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität und zur Renaturierung von Gewässern seit den 1970er Jahren zu dieser Erholung geführt haben. Die Stagnation der Entwicklung seit 2010 deutet jedoch darauf hin, dass die seit 2010 durchgeführten Massnahmen nicht mehr die gleich grosse Wirkung entfalten. Bestehende oder zukünftig noch zunehmende Belastungen sind zum Beispiel invasive Arten, der Klimawandel, aber auch die Wasserqualität, die noch nicht überall zufriedenstellend ist.
Süsswassergemeinschaften haben sich vor allem flussabwärts von Staudämmen, städtischen Gebieten und im Einflussgebiet von Ackerland weniger schnell erholen können. Die Fauna an Standorten mit schnellerer Erwärmung verzeichneten zudem einen geringeren Zuwachs in der Artenvielfalt, der Häufigkeit der Individuen und der funktionellen Diversität. Für die Schweiz sind diese Erkenntnisse relevant, da die Landnutzung im europäischen Vergleich intensiv und die Klimaerwärmung im alpinen Raum überdurchschnittlich stark ausfällt.
Die Forscher:innen empfehlen unter anderem, die Einträge von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aus landwirtschaftlichen Flächen zu reduzieren und grossräumige Auen- und Überschwemmungsbereiche zu schaffen. Sie fordern zudem eine stärkere Überwachung der biologischen Vielfalt und die gemeinsame Auswertung von Biodiversitäts- und anderen Umweltdaten.
Keywords:
Gewässer, Wirbellose, Klimawandel, Artenvielfalt, Wasserqualität
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Haase P. et al. (2023): The recovery of European freshwater biodiversity has come to a halt. Nature (7 S.). doi:10.1038/s41586-023-06400-1
Link zur Studie (freier Zugang)
Kontaktadresse:
Florian Altermatt
Eawag
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CH-8600 Dübendorf
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