26.9.2023: Forschung CH

Bär-Mensch-Koexistenz neu gedacht

Repenser la coexistence ours-hommes



Paula Mayer et al.

Das Thema Grossraubtiere polarisiert. Am Beispiel des Apennin-Braunbären wurde ein partizipatives Modell entwickelt, welches das Zusammenleben von Mensch und Bär unterstützen soll. Das Modell kann mit Anpassungen und weiteren Datenquellen auch in anderen Regionen Europas sowie für weitere Grossraubtiere genutzt werden.

Le sujet des grands prédateurs polarise. Un modèle participatif a été développé à partir de l’exemple de l’ours brun de l’Apennin pour soutenir la cohabitation entre l’humain et l’ours. Avec des adaptations et des sources de données supplémentaires, ce modèle peut être utilisé dans d’autres régions d’Europe ainsi que pour d’autres grands prédateurs.


Das Zusammenleben zwischen Menschen und Wildtieren wird immer angespannter. So auch in Italien, wo weniger als 200 Braunbären in drei getrennten Populationen leben. Um die Mensch-Bär-Koexistenz zu unterstützen, haben Forschende die Bedürfnisse von Menschen und Bären in der Region rund um den Nationalpark Abruzzen, Latium und Molise in einem Modell erfasst und auf einer Karte abgebildet.
Die Bärenperspektive wird unter anderem repräsentiert durch Faktoren wie geeigneter Lebensraum und Wanderkorridore, aber auch, ob attraktive menschgemachte Nahrungsressourcen vorhanden sind (z.B. nicht bärensichere Abfallentsorgung, Obstgärten oder Nutztierhaltungen). Dies beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, dass Bären in und um Siedlungen auftreten können. Das Modell erfasst zudem Bedrohungen für Bären (z.B. nicht eingezäunte Strassen- und Eisenbahnabschnitte oder Gebiete, die durch Touristen und Touristinnen stark gestört werden).
Die menschliche Perspektive wird beeinflusst durch verschiedene Typen landwirtschaftlicher Nutzung, Jagd und Trüffelsammeln, aber auch durch Gemeindepolitik, Schadenskompensation, Wissen und Emotionen in Hinsicht auf die Bären. So zeigte sich beispielsweise, dass in teilweise nur wenige Kilometer voneinander entfernten Gemeinden oft unterschiedliche Meinungsbilder über die Bären herrschen. Dies hänge meist von einzelnen Meinungsmachern ab, die richtige oder auch falsche Informationen verbreiten.
All diese Informationen verknüpft das Modell und berechnet eine Karte. Diese deckt die Gebiete auf, wo die Mensch-Bär-Koexistenz am besten funktioniert – Zonen also, wo sowohl die Toleranz der Menschen hoch und die Lebensbedingungen für die Bären gut sind. Aufgedeckt werden aber auch jene Gebiete, wo die Mensch-Bär-Koexistenz schwierig ist. Das Modell sei gut geeignet, um das komplexe Geflecht von Abhängigkeiten, die der Koexistenz von Grossraubtieren und Menschen zugrunde liegen, abzubilden, so die Forschenden.
Das Modell lässt sich relativ einfach anpassen und auf andere Fälle zuschneiden – etwa auf andere Regionen oder Tierarten wie den Wolf. Entscheidend ist dabei die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort, um die spezifischen Informationen aus dem lokalen Kontext in das Modell einfliessen zu lassen.

Quelle: ETH Zürich


Keywords:
Grossraubtiere, Bär, Wolf, Koexistenz, Modell

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Mayer P., Grêt-Régamey A., Ciucci P., Salliou N., Stritih A. (2023): Mapping human- and bear-centered perspectives on coexistence using a participatory Bayesian framework. Journal for Nature Conservation 73 (2023) 126387. DOI: 10.1016/j.jnc.2023.126387

Link zur Studie (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Adrienne Grêt-Regamey
Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung
ETH Zürich
Stefano-Franscini-Platz 5
CH-8093 Zürich

gret@ethz.ch


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