29.7.2005: Forschung CH
«Unterkühlte» Schutthalden mit azonaler Vegetation
Regula Bauermeister
Blockschutthalden sind ein spezieller Lebensraum. Auffallendste Merkmale der Blockschutthalden sind die kalten Luftströme und der eindrückliche Zwergwuchs der Fichten. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass die Vegetation vorwiegend aus kältetoleranten und kalkliebenden Arten besteht. Der Anteil an Bergpflanzen ist hoch und ihr Vorkommen in der montanen Stufe somit azonal.
In der Schweiz sind mehrere Vorkommen von sogenannten «unterkühlten» Schutthalden bekannt. Der Boden der Blockschutthalden wird vermutlich durch einen unterirdischen Luftstrom abgekühlt. Dabei kann es zur Eisbildung kommen. Der Boden kann sogar während eines Grossteils des Jahres gefroren bleiben. Vereinzelt konnte trotz einer geringen Meereshöhe Permafrost nachgewiesen werden.
Der Standort «unterkühlte Schutthalden» kann aufgrund der Zeigerwerte als lichtreich aber kalt charakterisiert werden. Die Böden sind nährstoff- und humusärmer, basischer, skelettreicher und besser durchlüftet als jener des umliegenden Waldes. Das Lokalklima weist grössere Temperaturschwankungen und eine geringere Luftfeuchtigkeit auf als jenes der Umgebung.
Auffallendste Merkmale der unterkühlten Blockschutthalden sind der eindrückliche Zwergwuchs der Fichten und die azonale Vegetation. Untersuchungen an einzelnen Standorten haben gezeigt, dass die dort vorgefundene Flora und Fauna normalerweise in viel kältern und höher gelegenen Gebieten beheimatet ist. Als Grund für den Zwergwuchs der Fichten und das Auftreten einer azonalen Flora und Fauna wird der unterkühlte Boden genannt.
In dieser Arbeit wurde die Vegetation in zehn verschiedenen Zwergfichtenbeständen charakterisiert und untereinander sowie mit der Vegetation des jeweils angrenzenden, normalgewachsenen Fichtenwaldes verglichen. Ziel der Studie war es, zu prüfen, ob die vorgefundene Vegetation generell azonal ist und ob sie eine untereinander einheitliche Artenzusammensetzung aufweist. Zudem sollte untersucht werden, ob der Zwergwuchs der Fichten neben der Kälte auch auf einen Nährstoffmangel oder die Trockenheit zurückzuführen ist. Untersucht wurde auch, ob die Preiselbeeren, eine der häufigsten Arten auf unterkühlten Schutthalden, wie die Fichten ihre Gestalt markant ändern, um sich so den speziellen Standortbedingungen anzupassen.
Die Vegetation der Zwergfichtenbestände besteht vorwiegend aus kältetoleranten und kalkliebenden Arten. Der Anteil an Bergpflanzen ist hoch, und ihr Vorkommen in der montanen Stufe somit azonal. Eine gewisse Ähnlichkeit der Artenzusammensetzung der Vegetation der untersuchten Vorkommen konnte aufgezeigt werden. Es handelt sich bei dieser aber nicht um eine eigene einheitliche Vegetationsgesellschaft. Im Gegensatz zur Fichte zeigt die Preiselbeere in ihren morphologischen Merkmalen keine Anzeichen für schlechtere Wachstumsbedingungen auf unterkühlten Standorten.
Warum in zwei Zwergfichtenbeständen, deren Boden nicht unterkühlt ist, Arten der alpinen Flora gedeihen, konnte anhand vorliegender Studie nicht geklärt werden. Ihr Vorkommen deutet jedoch daraufhin, dass neben der Wirkung der physikalischen Bedingungen am Standort, besonders der Temperatur, auch chemische Aspekte des Bodens für die Struktur der Vegetation solcher Standorte entscheidend sind. Auch auf die Frage nach dem Zwergwuchs der Fichten in diesen beiden Gebieten wurde anhand der Analyse von Boden- und Blattnährstoffgehalten keine befriedigende Antwort gefunden. Als mögliche Ursachen für den Zwergwuchs könnten ein Bor- oder Schwefelmangel oder aber eine Zinktoxizität verantwortlich sein.
Obwohl die Vegetation der unterkühlten Schutthalden weder besonders artenreich noch ausgesprochen divers ist, hat sie aufgrund ihrer für die montane Stufe ausserordentlichen Artenkombination besondere Aufmerksamkeit und Schutz verdient. Das inselartige Vor-kommen und der azonale Charakter lässt einen reduzierten Austausch von Genen zwischen den einzelnen Populationen vermuten. Durch diese wahrscheinlich mehrere tausend Jahre dauernde Isolation könnten die Populationen verschiedener Arten ein eigenes genetisches Muster aufweisen und sich in Richtung eigener Sippen entwickeln. Diese Aspekte gilt es in nachfolgenden Studien näher zu untersuchen.
Keywords:
Blockschutthalde, Permafrost, alpine Vegetation, azonale Vegetation
Art der Publikation:
Diplomarbeit
Literatur:
Bauermeister, R. (2002): Azonale Vegetation auf unterkühlten Schutthalden. Eine Studie zur Charakterisierung und Erklärung der Vegetationsmuster. Diplomarbeit, Universität Zürich.
http://www.slf.ch/lebensraum-alpen/hexenwaeldli-de.html
Kontaktadresse:
Dr. Veronika Stöckli, Eidg. Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF), Abt. Lebensraum Alpen, Flüelastrasse 11, CH-7260 Davos Dorf
v.stoeckli@slf.ch
Tel: +41 (0)81 417 02 14
Fax: +41 (0)81 417 01 10
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