7.2.2023: Forschung international
Insektenvielfalt in Deutschland wird zeitlich und räumlich immer homogener
La diversité des insectes en Allemagne de plus en plus homogène dans le temps et l’espace
Henrik Krehenwinkel et al.
Die Anzahl Insektenarten in Deutschland ist über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren praktisch gleich geblieben. Allerdings findet ein allmählicher Wandel der Lebensgemeinschaften statt, der zu einer zeitlichen und räumlichen Homogenisierung führt. Diese Ergebnisse basieren auf einer ungewöhnlichen Datenquelle: Analysiert wurden DNA-Proben von Insekten aus Blättern, die über drei Jahrzehnte gesammelt und archiviert wurden.
Le nombre d’espèces d’insectes en Allemagne est demeuré à peu près stable sur une période de plus de 30 ans. Toutefois, un changement progressif des biocénoses se produit, ce qui conduit à une homogénéisation dans le temps et dans l’espace. Ces résultats se basent sur une source de données inhabituelle : l’analyse d’échantillons d’ADN d’insectes prélevés sur des feuilles, collectés et archivés durant trois décennies.
Bislang durchgeführte Studien zum Insektensterben konzentrieren sich häufig auf begrenzte Standorte, beobachten Veränderungen über kurze Zeiträume, beschränken sich in der Regel auf die Ermittlung von Daten zum Verlust der Anzahl oder der Häufigkeit von Arten und arbeiten meist mit Tieren, die in Fallen gefangen wurden. Eine neue Studie hebt sich insbesondere durch zwei Aspekte ab: den langen Untersuchungszeitraum und Blätter als Datenquelle.
Dank der Umweltprobenbank des Bundes in Deutschland standen den Forschenden Blätter zur Verfügung, die über 30 Jahre hinweg kontinuierlich nach streng standardisierten Verfahren bundesweit von 4 Baumarten an 24 Standorten gesammelt und bei weniger als -150°C konserviert wurden. Für ihre Studie zu Veränderungen der Vielfalt bei Insektenarten analysierten sie Proben aus dem Blattmaterial von vier Baumarten an 24 Standorten in ganz Deutschland. Die Standorte repräsentieren vier Landnutzungstypen: städtische Parks, landwirtschaftliche Flächen, Wälder und Nationalparks.
Den Blättern, die ursprünglich zur Messung von Luftschadstoffen in der Umwelt dienten, entnahmen die Forschenden in einem spezialisierten Verfahren sogenannte Umwelt-DNA (eDNA), die zum Beispiel durch Kauspuren von Insekten zurückbleiben. Mit der angereicherten und sequenzierten eDNA lassen sich mehrere Tausend Insektenarten nachweisen, die mit den Blättern in Kontakt gekommen sind.
Die Analysen haben ergeben, dass zahlenmässig rückläufige Insektenarten stetig und über lange Zeiträume durch neue Arten ersetzt werden und somit kein markanter Verlust in der Artenzahl auftritt. Viele der sich neu ansiedelnden Insektenarten haben jedoch einen hohen Verbreitungsdrang. Dies führt zu einer räumlichen Homogenisierung, indem diese Arten in immer mehr Gebieten dominieren und somit die Zahl weit verbreiteter Insektenarten rückläufig ist. Diese Effekte sind unabhängig von der Landnutzungsart und für alle Insektenordnungen zu beobachten.
Die Studie verdeutlicht, dass standardisierte Zeitreihendaten benötigt werden, um Muster und Triebkräfte des Wandels der biologischen Vielfalt in Insektengemeinschaften zu verstehen. Sie unterstreicht zudem den immensen Wert bestehender Umweltarchive, deren volles Potenzial mit neuartigen Ansätzen zur Bereitstellung dieser kritischen Zeitreihendaten erschlossen werden kann.
Quelle: Universität Trier
Keywords:
Insektensterben, Homogenisierung, eDNA
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Krehenwinkel H. et al. (2022): Environmental DNA from archived leaves reveals widespread temporal turnover and biotic homogenization in forest arthropod communities. Elife 11, e78521.
Link zur Studie (freier Zugang)
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Henrik Krehenwinkel
Universität Trier
Biogeographie
Universitätsring 15
D-54296 Trier
krehenwinkel@uni-trier.de
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