7.2.2023: Forschung CH

Klimawandel lässt Alpenpflanzen früher altern

Le changement climatique fait vieillir plus tôt les plantes alpines



Patrick Möhl, Raphael S. von Büren und Erika Hiltbrunner

Die Klimaerwärmung führt in gemässigten Zonen zu längeren Vegetationsperioden. In den Krummseggenrasen, dem häufigsten Typ von alpinem Grasland in den europäischen Alpen, können die Pflanzen aber kaum davon profitieren: Früherer Austrieb führt zu früherer Alterung. Alpines Grasland dürfte daher zunehmend schon im Sommer braun aussehen.

Le réchauffement climatique entraîne un allongement des périodes de végétation dans les zones tempérées. Dans les pelouses acides de l'étage alpin supérieur, le type de pelouse alpine le plus fréquent dans les Alpes d’Europe, les plantes ne peuvent guère en profiter : le bourgeonnement précoce entraîne un vieillissement précoce. Les pelouses alpines devraient donc de plus en plus souvent apparaître brunes en été.


Durch die Klimaerwärmung schmilzt die Schneedecke vermehrt früher, wodurch die darunter liegende Vegetation vorzeitig zu wachsen beginnt. Wie sich das auf die weitere Entwicklung der Pflanzen auswirkt, haben Forscherinnen und Forscher anhand von Krummeseggenrasen auf dem Furkapass in der Zentralschweiz untersucht.
Für ihre Studie entnahmen sie intakte Blöcke von alpinem Rasen und brachten diese in Klimakammern in Basel. Dort liessen sie die Rasenstücke in kalter Dunkelheit künstlich überwintern und schickten einen Teil dann bereits im Februar in den Sommer. Einen zweiten Teil liessen sie bis im April im kalten Dunkeln, bevor auch für diese Rasenstücke der Sommer in den Kammern eingeschaltet wurde. Das Wachstum und die Alterung dieser Pflanzen verglichen die Forschenden mit der natürlichen Vegetation in 2500 m Höhe, die erst Ende Juni aus dem Schnee kamen.
Dabei zeigte sich, dass der Grossteil der alpinen Pflanzen in den Klimakammern nach etwa fünf bis sieben Wochen aufhörten zu wachsen und den Alterungsprozess einleiteten, unabhängig davon, wann sie «geweckt» wurden. Nach der Schneeschmelze Ende Juni wurden die Blöcke aus den Klimakammern wieder an den alpinen Standort zurückgebracht. Zu diesem Zeitpunkt war die natürliche Vegetation in vollem Wachstum. Die Pflanzen mit dem frühsten Saisonstart aus den Klimakammern waren dagegen schon ganz braun.
Eine Wachstums- und Alterungsperiode, die auf eine bestimmte Zeitspanne fixiert ist, hat in einer alpinen Umgebung mit sehr kurzer Vegetationszeit Vorteile. Damit wird verhindert, dass Pflanzen länger aktiv bleiben, auch wenn das Wetter ausnahmsweise noch günstig ist. Der Wintereinbruch mit eisigen Temperaturen sowie Schneefällen ist ja ab August jederzeit möglich. Es gibt zwar einzelne Pflanzenarten, deren innere Uhr weniger strikt auf eine bestimmte Länge der Wachstumsperiode fixiert ist und die bei günstigen Bedingungen länger aktiv bleiben (im vorliegenden Experiment waren dies der Wiesenhafer Helictotrichon versicolor und die Soldanelle Soldanella alpina). Solche Arten könnten künftig häufiger werden.
Allerdings dürften Änderungen in der Artenzusammensetzung geschlossener alpiner Rasen Jahrzehnte oder länger dauern. So bildet beispielsweise die Krummsegge (Carex curvula) ein extrem dichtes Wurzelwerk, das Verschiebungen in der Artenzusammensetzung kaum Raum lässt. Solange die heutige Vegetation nicht von flexibleren Arten verdrängt wird, wird alpines Grasland also zunehmend schon im Sommer braun aussehen.

Quelle: unibas.ch


Keywords:
Klimawandel, alpine Rasen, Vegetationsperiode, Alpen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Möhl P., von Büren R. S., Hiltbrunner E. (2022): Growth of alpine grassland will start and stop earlier under climate warming. Nature Communications 13(1), 1-10.

Link zur Studie (freier Zugang):

Kontaktadresse:
Patrick Möhl
Universität Basel
Departement Umweltwissenschaften
Schönbeinstrasse 6
CH-4056 Basel

p.moehl@unibas.ch
Tel: +41 (0)77 977 99 72


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