23.8.2022: Forschung international

Grundsätze für eine biodiversitätsfreundliche EU-Agrarpolitik

Principes pour une politique agricole de l’UE favorable à la biodiversité



Guy Pe’er et al.

Um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten, könnte sich die Europäische Union bei der Gestaltung ihrer künftigen Agrarpolitik an sechs Grundsätzen orientieren, begleitet von mehrjährigen Vereinbarungen und progressiven Zahlungssystemen. Dies sind die Kernpunkte der Empfehlungen von über 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus 23 EU-Mitgliedstaaten, die im Auftrag der Europäischen Kommission konsultiert wurden.

Afin d’enrayer la perte de diversité biologique, l’Union européenne pourrait orienter la conception de sa future politique agricole autour de six principes et s’accompagner d’accords pluriannuels et de systèmes de paiement progressifs. Tels sont les éléments clés des recommandations de plus de 300 scientifiques de 23 états membres de l’UE, consultés par la Commission européenne.


Mit jährlichen Ausgaben von rund 55 Milliarden Euro (etwa 31 % des gesamten EU-Haushalts 2021 bis 2027) kann die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ein wichtiges Instrument sein, um den Verlust der biologischen Vielfalt auf den landwirtschaftlichen Flächen der EU aufzuhalten. Die GAP verfügt bereits über Massnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt. Dennoch nimmt die biologische Vielfalt im Landwirtschaftsgebiet weiterhin ab.
Im Sommer 2020 forderten Mitglieder der Europäischen Kommission Forschende auf, evidenzbasierte Empfehlungen abzugeben, wie die neu aufgestellte GAP besser zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen kann. Der Prozess umfasste 13 Workshops und eine Online-Umfrage, die zwischen 2020 und 2021 durchgeführt wurden. Mehr als 300 Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und weitere Fachpersonen aus 23 europäischen Mitgliedsstaaten aus den Bereichen Ökologie, Agrarwissenschaften, Wirtschaft und Sozialwissenschaften nahmen an der Konsultation teil. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse wurde jetzt in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht.
Die Autoren heben sechs Grundsätze hervor, die für den erfolgreichen Biodiversitätsschutz durch die GAP entscheidend sind:
1. Schutz und Wiederherstellung von (halb-)natürlichen Landschaftselementen und extensivem Grünland.
2. Belohnung von Vielfalt und Multifunktionalität, z.B. durch Zahlungen, die proportional zum Umweltnutzen sind, oder durch die Bündelung von Massnahmen, die zusammen mehrere Umweltziele erfüllen.
3. Verbesserung der Raumplanung, damit die Massnahmen auf Landschaftsebene umgesetzt werden.
4. Unterstützung der kooperativen und koordinierten Umsetzung der GAP, z.B. durch Gruppen von Landwirten, um die Zusammenarbeit untereinander zu verbessern, wodurch grössere Gebiete abgedeckt werden könnten.
5. Ausweitung ergebnisorientierter Ansätze, bei denen die Landwirte mehr Freiraum bei der Erreichung eines bestimmtes Umweltziels erhalten – im Gegensatz zu Ansätzen, die Landwirten vorschreiben, was zu tun ist.
6. Förderung einer besseren Kommunikation und eines stärkeren Engagements mit und unter den Landwirten, um die Umsetzung von Pflichtmassnahmen und die Akzeptanz freiwilliger Massnahmen zu verbessern.
Ein besonderer Schwerpunkt der Studie liegt auf dem neuen GAP-Instrument «Öko-Regelungen» (Eco-Schemes). Über diese könnten die aktuell verfügbaren Mittel zur Erhaltung der biologischen Vielfalt fast verdoppelt werden. Die Forschenden zeigen auf, welche Massnahmen wahrscheinlich wirksam sind (z.B. Brachflächen und extensiv genutztes Grünland). Sie warnen aber auch vor dem Risiko, dass grosse Teile des Budgets der Öko-Regelungen für die Beibehaltung des Status quo ausgegeben werden, anstatt die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zu verbessern.

Quelle: iDiv


Keywords:
EU, Agrarpolitik, Landwirtschaft, Subventionen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Pe’er G. et al. (2022): How can the European Common Agricultural Policy help halt biodiversity loss? Recommendations by over 300 experts. Conservation Letters. DOI: 10.1111/conl.12901

Link zur Publikation (freier Zugang)

Kontaktadresse:
Guy Pe’er
Abteilung Ökosystemleistungen & Abteilung Ökonomie
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
D-04103 Leipzig

guy.peer@idiv.de
Tel: +49 (0)341 97 33182


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