23.8.2022: Forschung CH

Gewässer leiden unter Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel

Les eaux souffrent des mesures d’adaptation au changement climatique



Morgane Brosse et al.

Die Massnahmen, mit welchen der Mensch auf das veränderte Klima reagiert, beeinträchtigen unsere Gewässer mindestens so stark wie der Klimawandel selbst. Insbesondere die Massnahmen mit denen die Landwirtschaft und die Wasserkraft auf Trockenzeiten reagieren, belasten die Gewässer.

Les mesures prises par les humains pour réagir au changement du climat affectent nos eaux au moins autant que le changement climatique lui-même. Ce sont en particulier les mesures prises par l’agriculture et l’énergie hydraulique lors de périodes de sécheresse, qui pèsent sur les cours d’eau.


Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Wassersysteme sind schon lange bekannt: Einerseits erhöhen sich die Wassertemperaturen besonders in Bergregionen überdurchschnittlich. Andererseits verändern sich – durch zunehmende Sommertrockenheit und fortschreitendes Abschmelzen der Gletscher – auch die Wassermengen und Abflusszeiten in den Fliessgewässern. Dadurch sind nicht nur Wasserlebensräume und deren Artenvielfalt bedroht; nimmt die Menge und die Qualität des Trinkwassers ab, leiden auch rund 1,5 Milliarden Menschen darunter, die von den Wasserressourcen aus diesen Bergregionen abhängig sind.
Weniger gut hingegen ist untersucht, wie sich der Klimawandel indirekt, also durch die als Anpassung an den Klimawandel ergriffenen Massnahmen, auf Gewässerökosysteme auswirkt. Mit einer umfangreichen Literaturrecherche und Experteninterviews haben Forschende der Eawag nun gezeigt, dass die indirekten Effekte des Klimawandels die direkten Effekte nicht nur verstärken, sondern kurzfristig sogar übertreffen können. Beispielsweise kann die Bewässerung in der Landwirtschaft die Wassermenge in Flüssen während Trockenzeiten so stark reduzieren, dass die ökologischen Schäden des Klimawandels an sich deutlich verstärkt werden. Deshalb sollten zum Beispiel neue Nutzpflanzen nicht nur aufgrund ihrer Klima-Nische und Anbaufähigkeit bewertet werden, sondern auch hinsichtlich ihres Wasserbedarfs und Fussabdrucks von Düngemitteln und Pestiziden in den Gewässern. Dazu gehört auch, die Fördergelder für die Landwirtschaft so auszurichten, dass sich neue Praktiken nicht zusätzlich negativ auf die Gewässersysteme auswirken.
Wichtiger Treiber ist neben der Landwirtschaft auch die Wasserkraft. Mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein, forciert die Schweiz derzeit den Umstieg auf erneuerbare Energien und damit auch den Ausbau der Wasserkraft. Fliesst aber stromabwärts von Kraftwerken weniger Wasser, wird der Fluss wärmer und es besteht die Gefahr, dass sein Bett stellenweise austrocknet. Zudem bilden Staudämme oder Flusskraftwerke oft unüberwindbare Barrieren für Wasserorganismen. Beides sind bereits Folgen des direkten Klimawandels, die so noch verstärkt werden.
Um diese Auswirkungen zu minimieren, könnte die Nutzung der Stauseen so optimiert werden, dass nicht nur Strom produziert wird, sondern das gespeicherte Wasser auch eingesetzt werden kann, um Dürrezeiten zu überstehen. So liessen sich sowohl für den Klimaschutz als auch für die Biodiversität gewinnbringende Lösungen finden.

Quelle: Eawag


Keywords:
Gewässer, Klimawandel, Wasserkraft, Landwirtschaft

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Brosse M. et al. (2022): The importance of indirect effects of climate change adaptations on alpine and pre‐alpine freshwater systems. Ecological Solutions and Evidence, 3(1), e12127. DOI: 10.1002/2688-8319.12127

Link zur Publikation (freier Zugang):

Kontaktadresse:
Florian Altermatt
Eawag
Überlandstrasse 133
CH-8600 Dübendorf

florian.altermatt@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 55 92


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