23.3.2022: Forschung CH

Neophyten im europäischen Grasland – ein Überblick

Aperçu des néophytes dans les prairies européennes



Irena Axmanová et al.

Neophyten kommen in rund 12 Prozent der Grasländer Europas vor und machen ein gutes halbes Prozent der Artenvielfalt aus. Dies zeigt die Analyse von Daten zu Häufigkeit und Verbreitung von Neophyten aus einer umfassenden Vegetationsdatenbank. Neophyten sind im europäischen Grasland demnach bisher relativ selten.

Les néophytes sont présentes dans environ 12 pour cent des prairies d’Europe et constituent un bon demi pour cent de la biodiversité. C’est ce que montre l’analyse des données sur la fréquence et la distribution des néophytes provenant d’une banque de données globale sur la végétation. Les néophytes sont donc jusqu’à présent relativement rares dans les prairies européennes.


Viele Länder haben Massnahmen zur Bekämpfung von problematischen Neophyten ergriffen. Zur Verbreitung der Neophyten in verschiedenen Lebensräumen Europas gibt es allerdings kaum Analysen. Um die Neophytenthematik im europäischen Grasland einzuschätzen und Bekämpfungsstrategien zu optimieren, wurde die Häufigkeit und Verbreitung von Neophyten in den entsprechenden Lebensraumtypen quantifiziert.
Die Analyse basiert auf der umfangreichen Vegetationsdatenbank European Vegetation Archive (EVA), die auch Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM beinhaltet. Die rund 100'000 in der Studie berücksichtigten Vegetationsaufnahmen auf Untersuchungsflächen, die zwischen 10 und 100 m2 gross sind, repräsentieren alle Regionen und Graslandtypen Europas.
Insgesamt betrachtet sind 6,5 % aller im europäischen Grünland nachgewiesenen Gefässpflanzenarten Neophyten. Die lokale Häufigkeit der Neophyten in den Vegetationsaufnahmen ist aber gering: Nur 0,6% der lokalen Artenvielfalt sind Neophyten. 11,9% aller Graslandflächen Europas beinhalten mindestens eine Neophytenart.
Die Schweiz hat Anteil an der kontinentalen und alpinen biogeografischen Region Europas, wobei erstere mit 15,0% «invadierten» Flächen etwas überdurchschnittlich, letztere mit nur 6,2% «invadierten» Flächen wenig betroffen ist. Unter den in der Schweiz vorkommenden Lebensräumen sind Grasländer mittlerer Feuchte (mesisch) am stärksten (13,5% der Flächen), alpine Grasländer (0,5%) kaum betroffen. Die mittlere Deckung aller Neophyten ist im Feuchtgrasland mit 2,0% am höchsten.
Der im europäischen Grünland «erfolgreichste» Neophyt ist die Saat-Esparsette (Onobrychis viciifolia), die in 1,5% von allen Aufnahmen vorkommt, gefolgt von Erigeron annuus (1,3%), Conyza canadensis (1,2%), Trifolium hybridum (0,8%) und Medicago sativa (0,8%). Davon steht einzig Erigeron annuus auf der Schwarzen Liste der problematischen Neophyten der Schweiz.
Die Arbeit legt nahe, dass Neophyten aufgrund ihrer relativen Seltenheit und ihrer meist geringen Deckung zumindest im europäischen Grünland bisher keine Hauptursache des Biodiversitätsverlusts sind. Das schliesst aber nicht aus, dass Neophyten lokal auch im Grasland ein Naturschutzproblem sein können. Nur vier der 20 häufigsten Neophyten im europäischen Grasland stehen in der Schweiz auf der Schwarzen Liste. Es stellt sich daher die Frage, auf Grund welcher Kriterien Neophyten im Grasland aus Naturschutzsicht als problematisch einzustufen sind. So wird beispielsweise der im europäischen Grasland häufigste Neophyt, die Saat-Esparsette, in der Schweiz sogar mit «Naturschutz»-Samenmischungen weiterverbreitet, hat einen ökologischen Wert für assoziierte Arten (wie z.B. verschiedene Tagfalter) und ist eine Indikatorart für die ökologische Qualität von Biodiversitätsförderflächen. Zudem ist der Status der Saat-Esparsette als Neophyt in der Schweiz und anderen europäischen Ländern nicht abschliessend geklärt.

Quelle: ZHAW

Keywords:
Europäisches Grünland, globaler Wandel, Neophyt, BDM

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Axmanová I. et al. (2021): Neophyte invasions in European grasslands. Journal of Vegetation Science 32: e12994. DOI: 10.1111/jvs.12994

https://vegsciblog.org/2021/04/10/neophyte-invasions-in-european-grasslands/

Link zur Studie

Kontaktadresse:
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