2.2.2022: Forschung CH

Schweizer Seen sind Hotspots der Fischartenvielfalt

Les lacs suisses sont des hotspots de la diversité des espèces de poissons



Timothy Alexander und Ole Seehausen

35 Seen im Schweizer Alpenraum wurden erstmals systematisch auf ihre Fischbestände untersucht. Dabei konnten 106 Fischarten nachgewiesen werden. Das sind fast 20 Prozent aller in Europa bekannten Fischarten. Die Resultate sollen nun als Grundlage dienen für Massnahmen zu einer nachhaltigen Fischerei und zum Schutz dieser Vielfalt.

Pour la première fois, les populations de poissons de 35 lacs de l’espace alpin suisse ont été systématiquement étudiées. Ainsi, 106 espèces de poissons ont été détectées. Cela représente presque 20 pour cent de toutes les espèces de poissons connues en Europe. Les résultats doivent désormais servir de base à des mesures pour une pêche durable et pour la protection de cette diversité.


Im Rahmen des «Projet Lac» wurden erstmals die Fischbestände in 35 Alpenrandseen in der Schweiz (inkl. Grenzseen wie Bodensee und Luganersee) mit umfassenden und standardisierten Aufnahmen erfasst. Nun werteten sie die riesige Fülle von Daten zu den Arten, ihrer Verbreitung und ihrer Verteilung innerhalb der Seen aus.
Von den 550 in Europa bekannten Fischarten wurden im «Projet Lac» 106 nachgewiesen. Obwohl die Schweiz nur 0,4% von Europas Landfläche ausmacht, beherbergt sie also fast 20% der Arten. Sie gehört damit europaweit zu den Regionen mit der höchsten Vielfalt an Fischarten im Süsswasser.
15 mehrheitlich nur in der Schweiz vorkommende (und damit endemische) Fischarten konnten erstmals nachgewiesen und dokumentiert werden. Ausserdem wurden fünf europäische Arten gefangen, deren Vorkommen in der Schweiz bislang nicht bekannt war. Zwei Arten wurden nördlich der Alpen nachgewiesen, von denen man bisher glaubte, sie kämen nur südlich der Alpen vor. Vier Fischarten wurden wiederentdeckt, die als ausgestorben galten, zum Beispiel ein in grossen Tiefen des Urnersees lebender Saibling.
Die meisten der ausschliesslich im jeweiligen See vorkommenden (endemischen) Fischarten wurden im offenen Wasser und in sehr tiefen Lebensräumen der nährstoffarmen Seen nachgewiesen, etwa die einzigartigen Felchenarten im Brienzer- und Thunersee oder eine spezielle Groppe, die im Urnersee offensichtlich noch in 200 m Tiefe lebt.
In vielen nährstoffreichen Seen wurden dagegen ab 30 m Tiefe praktisch keine Fische mehr gefangen – im Sommer fehlt dort der Sauerstoff. Die absolut gesehen grösste Artenzahl fanden die Forschenden in flacheren Uferbereichen und in der Nähe von Flussmündungen, wobei es sich dabei meistens um weit verbreitete Arten handelt. Dies zeigt, wie wichtig für die Fischdiversität nebst einer hohen Wasserqualität vielfältige und naturnahe Lebensräume sind – von den Seeufern bis in die grössten Tiefen.
Der nun vorliegende Synthesebericht gibt einen Überblick über den Zustand der Fischartenvielfalt und der Fischbestände aller grösseren Seen des westlichen Alpenraums. Er trägt die Ergebnisse aus einzelnen Seen zusammen. Da sie überall mit der gleichen Methodik erhoben wurden, ist die Arbeit eine Basis für Vergleiche zwischen den Seen und zur Analyse von grösseren Zusammenhängen. Aus der vorliegenden Arbeit können nun Empfehlungen abgeleitet werden zur Bewahrung der Fischartenvielfalt in den Seen und für eine nachhaltige Seenfischerei. Wichtig für ein kontinuierliches Monitoring und spätere Vergleiche ist zudem die am Naturhistorischen Museum Bern aufgebaute wissenschaftliche Referenzsammlung der Fischarten aus allen Seen.

Quelle: eawag

Keywords:
Fischdiversität, Alpenrandseen, Inventar, endemische Arten, Fischerei

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Alexander T., Seehausen O. (2021). Diversity, distribution and community composition of fish in perialpine lakes – “Projet Lac” synthesis report. Eawag: Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology. 282 pages.


Link zum Synthesebericht

Kontaktadresse:
Eawag
Ole Seehausen
Seestrasse 79
CH-6047 Kastanienbaum

ole.seehausen@eawag.ch
Tel: +41 (0)58 765 21 21


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