3.11.2021: Forschung international

Rückgang von Pflanzenbestäubern bedroht Artenvielfalt

Le déclin des pollinisateurs de plantes menace la biodiversité



James Rodger et al.

Etwa 175‘000 Pflanzenarten – die Hälfte aller Blütenpflanzen auf der Erde – sind für die Samenbildung und damit für ihre Fortpflanzung überwiegend oder vollständig auf tierische Bestäuber angewiesen. Ein Rückgang in der Zahl dieser Bestäuber könnte daher zu einem grossen Verlustes an biologischer Vielfalt und zu erheblichen Störungen der natürlichen Ökosysteme führen.

Environ 175 000 espèces végétales, soit la moitié des toutes les plantes à fleurs sur terre, dépendent entièrement ou essentiellement des animaux pollinisateurs pour la production de graines et donc pour leur reproduction. Un recul du nombre de ces pollinisateurs pourrait donc conduire à une grande perte de la diversité biologique et à un considérable dysfonctionnement des écosystèmes naturels.


Zwar werden viele Pflanzen von Tieren bestäubt, aber die meisten Pflanzen haben auch eine gewisse Fähigkeit zur Selbstbefruchtung. Das heisst, sie können zumindest einige Samen ohne Bestäuber bilden. Bisher gab es jedoch auf die Frage, wie wichtig Bestäuber für Wildpflanzen sind, auf globaler Ebene keine eindeutige Antwort.
21 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von fünf Kontinenten haben erstmals eine globale Einschätzung zur Bedeutung von tierischen Bestäubern für Pflanzen in natürlichen Ökosystemen geliefert. Als Indikator für die Bedeutung der Bestäuber für die Pflanzen diente den Forschenden der Beitrag der Bestäuber zur Samenproduktion – ermittelt durch den Vergleich der Samenproduktion in Abwesenheit von Bestäubern gegenüber der Samenproduktion in Anwesenheit von Bestäubern.
Alle zur Verfügung stehenden Daten zum Beitrag der Bestäuber zur Samenproduktion wurden zu einer einzigen Datenbank zusammengefasst. Diese enthält Daten aus 1528 separaten Experimenten, die 1392 Pflanzenpopulationen und 1174 Arten aus 143 Familien von allen Kontinenten ausser der Antarktis repräsentieren.
Die Ergebnisse dieser Zusammenführung zeigen, dass ohne tierische Bestäuber ein Drittel der Blütenpflanzen keine Samen produzieren würde und die Hälfte einen Rückgang der Fruchtbarkeit um 80 Prozent oder mehr erleiden würde. Auch wenn die Selbstbefruchtung weit verbreitet ist, gleicht diese den Wegfall der Fremdbestäubung durch Tiere bei den meisten Pflanzenarten also keineswegs vollständig aus.
Neuere Studien haben gezeigt, dass viele Arten von Bestäubern in ihren Populationsgrössen stark zurückgegangen und einige sogar ausgestorben sind. Die Erkenntnis, dass eine grosse Anzahl von Wildpflanzenarten von Bestäubern abhängig ist, zeigt, dass ein Rückgang der Bestäuber erhebliche Störungen der natürlichen Ökosysteme verursachen könnte, warnen die Forschenden. Hierfür müssten nicht einmal alle Bestäuber verschwinden.
Wenn es weniger Bestäuber gibt (oder selbst wenn sich lediglich das zahlenmässige Verhältnis zwischen den verschiedenen Bestäuber-Arten verschiebt), muss mit Folgewirkungen auf die Pflanzen gerechnet werden. Einige betroffene Pflanzenarten werden dann in ihrer Zahl zurückgehen, was wiederum Tierarten und menschliche Populationen, die von diesen Pflanzen abhängig sind, schädigt. Das bedeutet auch, dass sich Pflanzen, die nicht auf Bestäuber angewiesen sind, wie viele sogenannte problematische Unkräuter, noch stärker ausbreiten könnten, wenn die Bestäuber weiter zurückgehen.
Die Forschenden benennen einen weiteren beunruhigenden Faktor – die Rückkopplungsschleife. Sie entsteht, wenn von Bestäubern abhängige Pflanzen zurückgehen oder aussterben. Wenn selbstbefruchtende Pflanzen die Landschaft dominieren, hat dies zusätzliche negative Folgen für die tierischen Bestäuber, weil selbstbefruchtende Pflanzen tendenziell weniger Nektar und Pollen produzieren.
Nach Ansicht der Forschenden ist es jedoch noch nicht zu spät zum Handeln. Viele Pflanzen sind langlebig, was ein Zeitfenster eröffnet, in dem Bestäuber-Arten wieder angesiedelt werden können, bevor es durch ihren Mangel zu einem Aussterben von Pflanzen kommt.

Quelle: iDiv und Universität Konstanz

Keywords:
Bestäuber, Pflanzen, Interaktion, Ökosystemfunktionen

Art der Publikation:
Fachpublikation

Literatur:
Rodger J. G. et al. (2021): Widespread vulnerability of flowering plant seed production to pollinator declines. Science Advances, Vol. 7, No. 42. DOI: 10.1126/sciadv.abd3524

Link zur Studie (open access)

Kontaktadresse:
Tiffany Knight
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Universitätsplatz 10
D-06108 Halle
tiffany.knight@idiv.de


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