24.8.2021: Forschung CH
Stickstoffüberschüsse bedrohen Schmetterlinge
Les excédents d’azote menacent les papillons
Tobias Roth et al.
Der zu hohe Stickstoffeintrag in die Lebensräume über die Luft gefährdet nicht nur Pflanzengemeinschaften sondern auch Schmetterlinge. Betroffen sind vor allem seltene und gefährdete Tagfalterarten, die offene und trockene Standorte bevorzugen. Die unbeabsichtigte Düngung spielt für die Tagfaltervielfalt eine ähnlich grosse Rolle wie der Klimawandel. Die negativen Auswirkungen lassen sich teilweise durch eine angepasste Landnutzung abfedern, vor allem aber ist ein umweltfreundlicheres Konsumverhalten notwendig.
Les apports d’azote dans les biotopes par voie aérienne, trop élevés, ne menacent pas seulement les phytocénoses, mais aussi les papillons. Particulièrement touchées sont les espèces rares et menacées de papillons diurnes qui préfèrent les sites ouverts et secs. La fertilisation involontaire joue un rôle aussi important que le changement climatique pour la diversité des papillons diurnes. Les conséquences négatives peuvent en partie être atténuées grâce à une utilisation adaptée du sol, mais un comportement respectueux de l’environnement de la part des consommatrices et consommateurs est essentiel.
In der Schweiz gelten über die Hälfte der Tagfalterarten als gefährdet oder potenziell gefährdet. Bei der Suche nach den Ursachen stehen meist die intensive Landwirtschaft, das Ausbringen von Pestiziden und der Klimawandel im Fokus. Ein Forschungsteam hat nun noch einen anderen Faktor untersucht: die Verfrachtung von Stickstoff aus der Landwirtschaft und Abgasen aus Industrie und Verkehr über die Luft und die anschliessende Deposition in Lebensräumen der Tagfalter.
Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass zu viel Stickstoff zu einer dichteren und artenärmeren Vegetation führt. Vor allem spezialisiertere Arten werden verdrängt. Die Forschenden überprüften, ob sich der Stickstoffüberschuss indirekt über die Veränderung der Vegetation auch auf die Vielfalt der Tagfalter auswirkt. Hierzu analysierte das Team Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring Schweiz BDM zur Vielfalt und Häufigkeit von Pflanzen und Schmetterlingen auf 383 Untersuchungsflächen in der ganzen Schweiz und verglichen die Daten mit dem lokalen Stickstoffeintrag über die Atmosphäre.
Das Ergebnis war eindeutig: Je mehr Stickstoff auf den untersuchten Flächen über die Luft eingetragen wird, desto dichter und artenärmer die Vegetation und desto geringer die Vielfalt von Tagfaltern. Besonders betroffen sind seltene und gefährdete Tagfalterarten, die offene und trockene Standorte bevorzugen. Die Überdüngung führt dazu, dass diese Standorte durch stärkeres Pflanzenwachstum kühler, schattiger und feuchter werden und die ohnehin schon gefährdeten Arten weiteren Lebensraum verlieren. Die Forschenden kamen zum Schluss, dass die Folgen der übermässigen Stickstoffeinträge für die Tagfaltervielfalt eine ähnlich grosse Rolle spielen wie der Klimawandel.
Die negativen Auswirkungen des zu hohen Stickstoffeintrags lassen sich den Forschenden zufolge teilweise durch eine angepasste Landschaftspflege abfedern. Darunter fallen Massnahmen, die der Verbuschung entgegenwirken, etwa die Beweidung oder häufigeres Mähen. Davon profitieren nicht nur anspruchsvolle Pflanzenarten, sondern eben auch die Schmetterlinge. Ein gewisses Potenzial sehen die Forschenden auch bei technischen Verbesserungen (u.a. Reduktion der Stickstoffemissionen aus der Landwirtschaft). Letztlich führe aber kein Weg an einem umweltfreundlicheren Konsumverhalten (weniger Fleisch und Milchprodukte, umweltfreundliche Mobilität) und einer Reduktion der Viehbestände vorbei, um den unerwünschten Stickstoffeintrag zu senken.
Quelle: Universität Basel
Keywords:
Stickstoffüberschuss, Schmetterlinge, Pflanzen-Insekten-Interaktionen, Biodiversitätsmonitoring, Landwirtschaft
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Roth T. et al. (2021): Negative effects of nitrogen deposition on Swiss butterflies. Conservation Biology, 1-11, doi:10.1002/cobi.13744
Link zur Studie
Kontaktadresse:
Valentin Amrhein
Universität Basel
Departement Umweltwissenschaften
Zoologie
Vesalgasse 1
CH-4051 Basel
v.amrhein@unibas.ch
Tel: +41 79 848 99 33
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