28.6.2021: Forschung CH
Klimawandel im Alpenraum stört Wechselwirkungen zwischen Arten
Le changement climatique dans l’espace alpin perturbe les interactions entre espèces
Yann Vitasse et al.
In den Alpen wird es immer wärmer, und der Frühling beginnt immer früher. Die verschiedenen Organismengruppen regieren unterschiedlich auf die neuen Bedingungen. Dadurch können Wechselwirkungen zwischen Arten unterbrochen werden.
Il fait de plus en plus chaud dans les Alpes, et le printemps commence toujours plus tôt. Les divers groupes d’organismes réagissent différemment aux nouvelles conditions. Ce faisant, les interactions mutuelles entre les espèces peuvent être interrompues.
Viele der in den Schweizer Alpen lebenden Arten reagieren auf den Klimawandel, indem sie in kühlere bzw. höher gelegene Regionen aufsteigen. Forschende haben nun untersucht, wie schnell Arten sich in die Höhe verschieben und wie sich das saisonale Verhalten verändert, weil der Frühling in den Alpen immer früher beginnt. Erstmals wurden diese Änderungen für eine grosse Anzahl Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zusammengestellt. Forschende haben insgesamt Daten zu mehr als 2'000 Arten aus der Fachliteratur und aus Bürgerwissenschaftsprojekten (Citizen Science) ausgewertet.
Den meisten anderen Arten gelingt es nicht, die 60 bis 70 Höhenmeter pro Jahrzehnt zurückzulegen, die notwendig wären, um unter den ihnen angestammten klimatischen Bedingungen weiterleben zu können. Zwischen den Organismengruppen wurden grosse Unterschiede registriert: Während die mobilen Schmetterlinge und vermutlich auch die Reptilien rasch reagieren, wurde bei Pflanzen, Vögeln oder holzzersetzenden Pilzen ein viel langsamerer Aufwärtstrend festgestellt. Amphibien und Libellen haben ihr Vorkommen kaum in grössere Höhen verlegt. Diese Tiere sind als Larven auf Gewässer als Lebensraum angewiesen und daher an wasserreiche Standorte gebunden.
Die klimatischen Veränderungen führen in den Alpen auch zu früherer Schneeschmelze und immer wärmeren Frühlingstagen. Pflanzen, Reptilien, Zugvögel und an Land lebende Insekten wie Schmetterlinge oder Heuschrecken haben darauf reagiert, indem sie ihre Aktivitäten im Frühjahr um durchschnittlich 2 bis 8 Tage pro Jahrzehnt vorverlegten. Bei anderen Lebewesen wie Amphibien und Wasserinsekten (insbesondere Libellen) gab es keine oder nur geringe zeitliche Verschiebungen bei ihren Frühjahrsaktivitäten. Diese unterschiedlichen Entwicklungen könnten dazu führen, dass die verschiedenen Arten in ihren Aktivitäten zeitlich nicht mehr aufeinander abgestimmt sind, was für den langfristigen Fortbestand der Arten als Teil eines Ökosystems bedrohlich ist.
Quelle: WSL
Keywords:
Klimawandel, Alpen, biologische Wechselwirkungen, Phänologie, Habitatverschiebung
Art der Publikation:
Fachpublikation
Literatur:
Vitasse Y., Ursenbacher S., Klein G., Bohnenstengel T., Chittaro Y., Delestrade A., ... & Lenoir J. (2021). Phenological and elevational shifts of plants, animals and fungi under climate change in the European Alps. Biological Reviews. https://doi.org/10.1111/brv.12727
Link zur Studie
Kontaktadresse:
Yann Vitasse
Eidg. Forschungsanstalt WSL
Zürcherstrasse 111
CH-8903 Birmensdorf
yann.vitasse@wsl.ch
Tel: +41 (0)44 739 20 73
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